Bayern-Landesausstellung ‚Wiederaufbau und Wirtschaftswunder‘ 2015

Besuch am Samstag, 10.10.2015, ca 1 Std. Bei der Sonderausstellung handelt es sich um die abgespeckte Version der gleichnamigen Landesausstellung des Hauses der bayerischen Geschichte 2009 in Würzburg, die ich leider nicht gesehen habe. Seitdem tourt sie als Wanderausstellung durch Bayern, Amberg ist die 14. Station, anschließend geht sie vom 29.10.2015 – 3.4.2016 nach Lindenberg im Allgäu.

Beim Thema ‚Wiederaufbau und Wirtschaftswunder‘ hat man als Ausstellungsmacher zunächst einmal ein relativ leichtes Spiel. Die Besucher über 60 Jahre, das dürfte ein nicht unerheblicher Teil sein, haben diese Zeit nicht nur selbst erlebt. Sie dürften auch emotional eine durchwegs enge und positive Bindung besitzen, weil’s die eigene Jugend betrifft und weil’s aufwärts ging. Die Ausstellung hat auch den Vorteil, nicht übermäßig groß zu sein, sie hat Besucher-Konzentrationsfähigkeits-Länge.

Kinderwagen mit Kotflügel, Rückleuchten (vorne) und Stoßstange Foto: Gerd Walther

Kinderwagen mit Kotflügel, Rückleuchten (vorne) und Stoßstange
Foto: Gerd Walther

Das Haus der bayerischen Geschichte hat diese Chance genutzt und eine heimelige, warme, kurzweilige Ausstellung geschaffen, die der Zeit, um die es geht, nicht kritiklos gegenübersteht. Man merkt der Ausstellung auf angenehme Art an, dass hier Profis zugange waren, die ihr Handwerk verstehen. Zugute kommt der Ausstellung auch, dass noch viele gute Exponate erhalten sind, dass mit dem Siegeszug von Radio, Film und Fernsehen auch viele Ton- und Videodokumente zur Verfügung stehen, dass das Fotografieren auch im privaten Bereich viele Freunde hatte. Man konnte also auswählen, und man hat eine gute Auswahl getroffen, ohne die Ausstellung zu überfrachten.

Naturgemäß sind aus der unmittelbaren Nachkriegszeit weniger Exponate vorhanden. Aber das Spielzeugkarussell aus Gasmaskenfiltern oder der Inhalt von Care-Paketen gewähren ebenso einen Einblick wie die Maßnahmen zur Eingliederung von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, die eher zaghafte Entnazifizierung oder zu erwartende Höllenqualen bei Mischehen, also katholisch-evangelisch, igittigitt. Wörtlich wird Wiederaufbau genommen, wenn detailliert auf die verschiedenen Konzepte zum Aufbau der Städte eingegangen wird, wir können die Ergebnisse ja noch heute täglich sehen.

Werbung für ein modernisiertes Bekleidungsgeschäft Foto: Gerd Walther

Werbung für ein modernisiertes Bekleidungsgeschäft
Foto: Gerd Walther

Es ist die Abwechslung von präzisen Texten, interessanten Objekten, ausliegenden Illustrierten und Jugendzeitschriften, also ‚Bravo‘, Ton- und Filmdokumenten, die den Gang durch die Ausstellung kurzweilig machen. Dazu noch die verschiedenen erleuchteten Musikboxen. Allerdings waren die Leuchtstoffröhren nicht blank und hell leuchtend, sondern mit farbigen Röhren oder Folien ummantelt. Schließlich stand die Musikbox an der Schnittstelle zum Verruchten, in Kneipen, die nicht den besten Ruf hatten, etwa ‚Amikneipen‘. Auch kickern kann man und freut sich, wenn bei jedem Tor Zimmermanns Weltmeister-Torjubel von 1954 dezent ertönt. Schön wäre gewesen, wenn man ab und zu Schlager leise aus dem Off über einzelne Bereiche gelegt und die Tische mittig aufgestellt hätte, so dass sich Besucher über die ausliegenden Illustrierten unterhalten können.

Die Wanderausstellung wird ergänzt durch Dokumente aus Amberg und Umgebung, wobei sich die Amberger Mühe geben, mit der hohen Qualität der Ausgestaltung Schritt zu halten. Schön, aber leider nicht vertieft, ist die Idee, eine Zeit über die Darstellungen auf ihren Geldscheinen und Münzen zu erläutern, witzig, die Kneipenlandschaft Ambergs anhand von Werbeaufklebern auf Zündholzschachteln lebendig werden zu lassen. Leider habe ich die dazugehörigen Zigaretten vermisst, ‚Salem ohne‘, ‚Eckstein‘, „die stolze ‚Oberstolz‘ vom Rhein“, „wer ‚Reval‘ raucht, der frisst auch kleine Kinder“, „frohen Herzens genießen“, „der Duft der großen, weiten Welt“ mitsamt optimistischem Sportsmaster-Marsch. Heute klingt TV-Werbung häufig so: „…und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“

Werbung