Besuch am Mittwoch, 22.11.2017, ca 1 Std. in der Sonderausstellung ‚Puppenhäuser 1968 – Politische Proteste und private Paradiese‘, die noch bis zum 16.5.2018 zu sehen ist. Das Spielzeugmuseum zählt zu den Museen der Stadt Nürnberg.
Das Museum schreibt in seiner Mitteilung zur Ausstellung: „In den Puppenhäusern lassen sich die gesellschaftspolitischen Veränderungen der Jahre um 1968 nicht ablesen.“ Aber erweckt das Thema nicht eher eine andere Erwartungshaltung? Und führt der gewählte konzeptionelle Ansatz dann zu einer interessanten Ausstellung? Dass Hersteller von Puppenhäusern umgesetzt haben, was 1968 im Umbruch war, wird wohl kaum jemand erwarten. Es ist auch keine große Überraschung, wenn sich bei Puppenhäusern Wandlungen der Wohnsituation widerspiegeln, evtl gebrochen durch pädagogische Ansätze. In der Ausstellung sind Exponate von Bodo Henning, Selecta, Modella, Kibri, Tri-ang (England), Lundby (Schweden), VERO (DDR) und einiger kleinerer Firmen zu sehen.
In drei Doppelvitrinen mit angedeuteter Hausform befinden sich diverse Puppenhäuser aus den 1960ern und 1970ern mit dazugehörigen Utensilien. Hinzu kommen Kopien aus Quelle-Katalogen der Zeit mit Einrichtungsgegenständen bis hin zu Fertighäusern, Werbung von Einrichtungshäusern und Puppenhaus-Herstellern, Infos über die Teilnahme des Museums an einer Spielzeugausstellung 1977 in Brüssel. Sechs relativ allgemeine Texte geben ebensolche Erläuterungen. Schön ist die Idee, dass die (kleinen) Besucher mittels Taschenlampen die Puppenhäuser ausleuchten können. Sie verpufft aber weitgehend, da es im Raum relativ hell ist. Aber in der Dauerausstellung wäre das mitunter nicht schlecht.
Die mittigen Vitrinen werden an den Wänden flankiert von Statements und Fotos zu den (Studenten-)Unruhen um 1968 mit ihrer Infragestellung überkommener Autoritäten und von Verhaltensmustern in einer oft erstaunlichen Kontinuität zum ‚Dritten Reich‘. Das ist ganz nett gemacht, v.a. die Aussagen ‚von der Straße‘. Ich kann eine hinzufügen: Auf einer Vietnam-Demo traf ich mal ein Mädchen mit folgendem Text auf ihren Stoffturnschuhen: „Ban the pill (Antibaby – GW), the bomb will do it.“ Aber Fotos und Texte haben keinen Bezug zu den Puppenhäusern, laufen parallel, wo eine Verquickung interessant wäre.
An der Stirnseite eingangs stehen eine Musikbox (von 1975), von der man nicht weiß, ob sie geht, und eine Doppelvitrine mit Utensilien aus den 1960ern/70ern. Naja. Gegenüber sind zwei Wohnräume angedeutet, ein Wohnzimmer mit Sesseln, Tisch, Fernseher, Sideboard und Röhrendem-Hirsch-Gemälde. Daneben der Raum eines Jugendlichen mit einer Matratze auf Paletten, einem bemalten Radio, Truhe, Poster von Jimi Hendrix, Che Guevara & Co und BRAVO-Heften. Auch das Ensemble ist nett gemacht, zeigt es doch die verschiedenen Lebensentwürfe. Eine Gruppe von Kindern hat’s gleich angenommen und sich reingesetzt. Ein Plattenspieler fehlt hier, und Reinhard Mey geht gar nicht, das war Spießer-Musik: „Ach Annabelle…komm sei so gut, mach meine heile Welt kaputt!“
Mich erstaunt, dass die Kinderladenbewegung mit ihrem antiautoritären Ansatz einer offenen Sexualerziehung und dem Hierarchieabbau zwischen Kindern und Erwachsenen gar nicht berücksichtigt wird. Zwar gab es hier in der Regel kaum anderes Spielzeug, aber geschlechtsspezifische Verhaltensmuster wurden nicht unterstützt. Jungs durften mit Puppen spielen, Mädchen mit Autos, wenn sie wollten. Es hätte Spannung in die Ausstellung gebracht, wenn man statt formaler Vorgaben von Puppenhaus-Herstellern den faktischen Umgang spielender Kinder stärker betont hätte. Damit tut sich das Museum auch in der Dauerausstellung schwer. Spielende Kinder werden dort in Randbereiche gedrängt, statt sie in schön gestalteten Spielinseln mitten in die Ausstellung zu integrieren. Dann könnten sich auch die Erwachsenen ohne ständiges Quengeln umschauen. („Es ist langweilig. Wann gehen wir?“) Immerhin: In der Sonderausstellung haben Kinder mit den angebotenen Puppenhäusern gespielt. Das ist doch schon mal ein guter Ansatz.