Die Architektur-Biennale findet – wie der Name sagt – alle zwei Jahre im Wechsel mit der Kunst-Biennale statt. Die Ausstellungsorte sind dabei im Wesentlichen gleich, vielleicht mit dem Unterschied, dass die Kunst-Biennale etwas umfangreicher ist. Gegeben wird jeweils ein Einblick in den Zustand unserer Welt, ggfls verbunden mit Ansätzen zur Änderung, sprich Besserung. Diese sind bei der Architektur-Biennale offenkundiger. Man muss aber beileibe kein Architekt sein, um die Ausstellung anregend zu finden. (Entsprechendes gilt für die Kunst-Biennale.) Neugierig sollte man sein. Die Biennale endet am 27.11.2016.

Seilerei im Arsenal: Eingangsraum mit einer Installation aus ‚Bauschutt‘ der Biennale 2015
Foto: Gerd Walther
Das Zentrum der Biennalen bilden die beiden großen Ausstellungsbereiche in den Giardini und im Arsenale, bei denen es (mit einer Doppelkarte) Eintritt kostet. Hinzu kommen noch viele Ausstellungsflächen über Venedig verteilt. Dort ist der Eintritt in aller Regel frei. Diese Ausstellungen sind angenehm kleinteiliger, überschaubarer, während man in den Giardini und im Arsenale einen ganzen Tag verbringen kann.
Der besondere Reiz der über die Stadt verteilten Ausstellungsflächen liegt zudem in der Möglichkeit, in Häuser zu kommen, die sonst verschlossen sind. Etwa in den Palazzo Mora in der Strada Nova. Der zeigt nicht nur ansprechende Präsentationen, sondern ermöglicht einen Blick in den (leider von Jahr zu Jahr reduzierteren) Dienstbotenbereich unter dem Dach und somit anhand baulicher Gegebenheiten in die Gesellschaft Venedigs vergangener Jahrhunderte.
Das Ausstellungsplakat gibt einen treffenden Einblick in die Zielsetzung. Mitten in einer öden Steinwüste steht eine alte Frau auf einer hohen Leiter und schaut in die Ferne. Es ist eine Verbeugung vor der Archäologin Maria Reiche, die Nazca-Linien in Peru erforschte. Das sind mitunter nur wenige Zentimeter tiefe, ca. 800 – 600 v. Chr. entstandene Scharrbilder von bis zu 20 km Länge, die man nur erkennt, wenn man mittels einer hohen Leiter (wenn man denn kein Flugzeug hat) einen erhöhten Standpunkt einnimmt. Darum geht’s: sich einen Überblick, einen Einblick verschaffen, um sinnvoll handeln zu können.
‚Reporting to the Front‘ ist der Titel der diesjährigen Biennale, die von Alejandro Aravena kuratiert wird, also ‚Bericht von der Front‘, evtl ‚Frontberichterstattung‘. Es schließt sich die Frage an, wie wir mit diesen Berichten umgehen. Etwa zu Kinshasa/Kongo, das in den letzten 25 Jahren um 215% auf ca 12 Mio Einwohner gewachsen ist – oder Lagos/Nigeria um 176% auf 21 Mio oder Dhakka/Bangladesh um 166% auf 18 Mio oder oder Dehli/Indien um 164% auf 25 Mio. Alles seit 1990.
In den Giardini bilden in der angenehm mit Bäumen bestandenen Parklandschaft die 28 Länderpavillons den Schwerpunkt. Erstmals seit langen gut gefallen hat mir der deutsche Pavillon. Der kommt nicht mehr so fürchterlich bedeutungsschwer daher, sondern zeigt leicht, luftig und offen anhand ausgewählter Beispiele die Bemühungen, in den letzten Jahrzehnten zugezogene Menschen in Deutschland einzugliedern. Sogar die Zwischendecke hat man herausgenommen, zudem neue Zugänge durch Mauerdurchbrüche geschaffen. Hier ruht eine Präsentation wie selbstverständlich in sich, macht kein Aufhebens, gibt den Blick frei auf eine authentische Umsetzung von Angela Merkels humanitär-optimistischem „Wir schaffen das“, das ja Probleme nicht leugnet. Zu den Länderpavillons kommt immer die große Ausstellung im Zentralen Pavillon.
Diese Internationale Ausstellung mit 88 Teilnehmern aus 37 Ländern (im Unterschied zu den 62 nationalen Präsentationen in den Giardini und in der Stadt) setzt sich im Arenale fort. Während die Giardini durch ihre Parkanlage erfreuen, besticht in der früheren Werft Venedigs v.a. der eindrucksvolle, mehrere hundert Meter lange, mächtige Baukörper der alten Seilerei. Es gelingt nicht immer, sich dagegen zu behaupten. Diese Biennale setzt interessante Akzente auch hier, gibt Impulse, macht neugierig.