Besuch am Donnerstag, 17.9.2015, ca 1,5 Std. , anschließend ein Gang durch den Dogenpalast mit Gefängnis. Die Ausstellung „La Guardia di Finanza nello grande guerra 1915 – 1918“ befand sich im Dogenpalast im 1.Stock mit Blick auf’s Meer und den Markusplatz. Das ist in Venedig beste Lage. Mehr geht nicht. Die Eintrittskarte gilt auch für den Dogenpalast, bzw. für die meisten Besucher umgekehrt. Die Ausstellung endete am 27.9.2015.
Man muss sich erst daran gewöhnen, dass die Finanzpolizei in Italien einen militärischen Status hat, nicht nur für Steuersünder, Zoll, Schmuggel, Wirtschaftskriminalität zuständig ist. Deshalb hat sie auch kämpfend an den Weltkriegen teilgenommen. Man muss sich auch daran gewöhnen, dass in Italien der ‚große Krieg‘ nur von 1915 – 1918 gedauert hat und dass der Blick zurück der eines Kriegs-Gewinners ist (staatlich gesprochen).
Ich habe ca 6-7 Ausstellungen zum 1. Weltkrieg gesehen. Die meisten waren mittelmäßig bis schlecht, weil die Macher wohl dachten, mit einem alten Maschinengewehr sei die Sache gelaufen. Man wundert sich nur, wie viele alte Maschinengewehre es noch gibt.
Natürlich waren auch hier Maschinengewehre und andere Waffen ausgestellt, schließlich geht es um eine militärische Einheit im Krieg. Natürlich haben wir auch die üblichen Dokus zum Kriegsverlauf, Fotos, Briefe, Zeitungen, Karten, Puppen in Uniform, Vitrinen, Stellwände etc. Hier kommt noch Werbung für die eigene Truppe hinzu.
Was die Ausstellung unterscheidet, sind drei hervorragend gemachte Installationen zum Krieg, zum Umgang mit Tod und Zerstörung. Ein Thema, das Militärs viel unmittelbarer behandeln als irgendwelche Museumsleute. Schließlich ist man vom Fach.
Da ist zunächst eine Einheit ‚Mobile Bataillons-Kommandostelle‘ (mit Funkstelle), dann ein ‚Feldlazarett‘ und zum Schluss ein ‚Schützengraben‘. Man bemüht sich um größtmögliche Authentizität, jeweils sind zu den Installationen 5-6 Fotos der realen Vorbilder ausgestellt.
Kommod ist noch die Kommandostelle inkl. Maulesel. Gleich daneben beim dreiteiligen Feldlazarett mit Operationsabteilung liegt ein sich vor Schmerz aufbäumender Soldat auf dem Tisch. Dann der begehbare Schützengraben mit Unterstand und Stacheldrahtverhau. Ein Soldat kauert in der Ecke, einer betrachtet hinter einem Maschinengewehr das Foto seiner Lieben, einer stirbt beim Sturmangriff, Herzschuss. Eine Witwe kniet bei Gräbern.
Wie authentisch ist das 100 Jahre danach, wie exhibitionistisch? Es sind Besucher da, nicht alle, die schießen hier Selfies vorm Schützengraben zur Erinnerung. Muss man das in Kauf nehmen? Das haben sie zuvor in den Bleikammern wohl auch gemacht – gleich daneben, aber gefühlte 500 Jahre entfernt. Grusel. Aber eines fehlt den Installationen: Die authentische akustische Dimension. Der ohne Narkose Operierte schreit nicht, der sterbende Soldat röchelt nicht, die Frau oder der Soldat mit dem Foto weinen nicht, kein fürchterliches Schlachtengebrüll, kein Höllenlärm, keine Totenstille. Das ließe sich machen. Spannend wäre, ob man den richtigen Ton getroffen hätte – nicht im Dogenpalast, sondern an einem anderen Ort. Damit steht und fällt auch die Qualität dieser Ausstellung.
Denn still ist es hier nicht – und das rettet wohl die Macher. Vom Markusplatz herauf dringt Stimmengewirr, umschmeichelt Caféhausmusik das Ohr. Diese Realität holt den Besucher heraus, wir haben Venedig, Markusplatz, 17.9.2015, ca 16 Uhr. Das ist wie Fernsehen, Tagesschau, man sitzt auf dem Sofa und betrachtet die Schrecknisse der Welt – mit oder ohne Chips. Oder ein Krimi. Freiwillig fast allabendlich Mord und Totschlag, weil’s sonst langweilig ist, das Leben.
Zu Ausstellungen zum 1.Weltkrieg auch: ‚Archiv Ausstellungen; Fürth; Stadtmuseum; Fürth im 1. Weltkrieg‘.