Textil- und Industriemuseum

Besuch am Dienstag, 17.10.2017, ca. 2 Std. Das ‚Staatliche Textil- und Industriemuseum TIM‘ befindet sich im Kopfbau und in angrenzenden Shedhallen der ehemaligen ‚Augsburger Kammgarn Spinnerei AKS‘ im Augsburger Textilviertel, das derzeit durch Abrissarbeiten viel von seinem Industrieflair verliert. Träger des aus einer privaten Initiative von 1996 hervorgegangenen und 2010 eröffneten Museums ist der Freistaat Bayern.

Gelände der ehem. AKS, rechts (außerhalb des Bildes) ist das Museum untergebracht.
Foto: Gerd Walther

Das TIM unterteilt sich in vier große Ausstellungsbereiche. Da sind zunächst in den beiden Shedhallen die Grundlagen der Textilproduktion Thema. Auch wichtige Textilpflanzen werden vorgestellt. Dominiert wird die Halle von großen Spinn- und Webmaschinen aus den letzten 200 Jahren bzw. von Modellen davon. Zu empfehlen ist die extra zu bezahlende Vorführung funktionierender Web- und Strickmaschinen durch ehemalige Mitarbeiter. Selbst wenn man nicht alles begreift, ein Eindruck bleibt haften, der den alten Maschinen anhängt: ihr Höllenlärm. Das ist schon bei einer Maschine so, aber – durch Großfotos dokumentiert – in den Sälen standen oft Hunderte davon. Frühe Taubheit war die ’natürliche‘ Folge solcher Arbeitsbedingungen.

Der Erwerb der Musterbücher der ‚Neuen Augsburger Kattunfabrik NAK‘ ermöglicht es, die Entwicklung der Stoffmuster in den letzten 200 Jahren zu verfolgen. Sie bildet den zweiten Hauptbereich des Museums, wobei man interaktiv diverse Stoffmuster auf überdimensionale Kleiderpuppen projizieren kann. Der dritte große Sektor des Museums zeigt zunächst den Übergang vom (handwerklichen) Stoffdruck mit Modeln zur (industriellen) Walzendruckmaschine ab 1835. Die Wandlungen der Herren- und v.a. Damenmode seit 1830 bis in die Gegenwart schließen sich an. Wie schon der Name sagt, gibt das Museum einen Überblick nicht nur über die industrielle Fertigung, sondern auch über die Produkte, seien es nun Stoffe oder die Endprodukte, Kleider, bis hin zu modernen Industriefäden und -stoffen für ein breites Anwendungsgebiet.

Färberturm zum Trocknen der Stoffbahnen in der Nähe des Museums
Foto: Gerd Walther

Ein 4.Ausstellungsbereich ist im Maschinensaal sowie im Modesaal jeweils an der Innenseite in kleineren Räumen untergebracht. Er behandelt die Entwicklung der Augsburger Textilindustrie anhand der Geschichte ihrer Fabriken, von Unternehmern und Arbeitern. Diese Aufteilung macht Sinn, aber gegen die großen Maschinen, die Puppen mit den Textilmustern und die Entwicklung der Mode mit diversen Installationen haben es diese Exponate schwer, sich zu behaupten. Vielleicht würde ein Audio-Guide auch für Erwachsene hierbei nützlich sein. Tiefe Umwälzungen im Gefolge neuer Techniken sind auch für Augsburg typisch. Zunächst war die Stadt geprägt von der bedeutenden Hausweberei. Auch die Fugger kamen im 14.Jh aus diesem Umfeld. Schon 1770 gründete J.H.Schüle seine Kattunmanufaktur, wobei er Baumwolle sehr zum Unwillen der einheimischen Barchent- und Leineweber importierte. 1794 kam es zum Aufstand. Diverse Regulierungen des Lechs zur Energieversorgung ermöglichte im 19.Jh. die Entstehung des Textilviertels außerhalb der alten Stadt. Um 1900 hatten sich hier 21 Textilfirmen mit etwa 10.000 Beschäftigten niedergelassen, darunter die Großbetriebe NAK, AKS, sowie die ‚Mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei Augsburg‘ SWA. Im Umfeld der Fabriken entstanden seit etwa 1850 Arbeitersiedlungen und andere soziale Einrichtungen durch die Unternehmer, was den Arbeitern Sicherheit, aber auch größere Abhängigkeit brachte. Sozialdemokratische Organisationen hatten es hier schwerer als andernorts. Natürlich tut man sich mit der Darstellung von Unternehmern wie L.A.Riedinger aufgrund der Materiallage leichter als mit der Arbeiterschaft, zu der die Ausstellung mitunter doch etwas dünn wird. Dabei ließe sich aus den Fabrikordnungen von 1840 /1846 und anderen Exponaten mehr herausholen. Zu den vielen interessanten Bildern von Spinnereien, Webereien, Garnfabriken wünscht man sich Erläuterungen, was wo untergebracht war. Beim Modell des Altbaus der SWA geschieht dies ansatzweise. Es bleibt zu hoffen, dass der Ausstellungsteil zu den jüdischen Fabrikanten und Besitzern der NAK, Kahn & Arnold, in die Dauerausstellung integriert wird, um auch von dieser Seite her den Blick auf die (Augsburger) Textilindustrie in diesem interessanten und insgesamt gut gemachten Museum richten zu können. Fotografieren ist leider nicht erlaubt. Warum eigentlich?

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