Stadtmuseum Fürth – Sonderausstellung ‚Fürth und der Erste Weltkrieg‘
Besuch am Samstag, 4.4.2015, ca. 1,5 Std., dann noch 1,5 Std. Stadtmuseum. Trägerin des Stadtmuseums ist die Stadt Fürth. Die Sonderausstellung geht vom 18.10.2014 bis 12.4.2015. Begleitet wird die Ausstellung von einer ambitionierten Vortragsreihe.
Auf einem Stuhl liegt ein Ordner mit ca. 10 Blättern Inhalt. Auf dem Deckel steht eine „Warnung: Dieser Ordner enthält Bilder mit den Folgen des Kriegsgeschehens bei Einzelpersonen. Zum Teil sind Verwundungen und chirurgische Eingriffe zu sehen, die verstörend wirken können. Bitte schauen Sie sich diese Bilder nur an, wenn sie dem gewachsen sind. … Zahlreiche Verwundungen sind so grausam und entstellend, dass auf deren Präsentation in der Ausstellung verzichtet wird.“ (Unterstreichung im Original.) Sind nicht Verletzte, Verstümmelte, Tote ein konstitutiver Bestandteil von Krieg? Soll man mit diesem Denkansatz überhaupt eine Ausstellung über Krieg und seine Folgen machen? Krieg light.
Zu Beginn der Ausstellung heißt es unter der Überschrift „Vor Kriegsausbruch. Die zunehmende Globalisierung und die intensive militärische Traditionspflege in der Gesellschaft jener Zeit führten im Kaiserreich zu einem ausgeprägten Nationalbewusstsein und einer großen Loyalität gegenüber der Regierung.“ (kleiner Textfehler von mir beseitigt)
Globalisierung? Welchen Erkenntnisgewinn hat man, wenn man einen modernen, in völlig anderem Zusammenhang entstandenen Begriff einer vergangenen Zeit überstülpt?
Die massive Aufrüstung Deutschlands nicht nur in der Flottenpolitik „militärische Traditionspflege“ zu nennen, ist schon erstaunlich. Sie betrifft auch Fürth. Seit 1893 entsteht in der Südstadt eine umfangreiche Garnison: Teile des 1. Bayer. Chevauleger-Regiments, das 21er Infanterieregiment, 6. Feldartillerieregiment, 3. Train-Abteilung. Kein Bild davon. Ist das so unwichtig für die letzten 20 Jahre vor dem Krieg?
Große Loyalität gegenüber der (monarchistischen) Regierung? Die Ergebnisse der Reichstagswahlen sprechen eine andere Sprache: die SPD (republikanisch-parlamentarisch) und der linksliberale Freisinn (parlamentarisch fundierte Staatsform) erhalten in Fürth (der Gesamtwahlkreis ist größer) im Jahr 1903: SPD 56%, Freisinn 27% = 83%, 1907: SPD 58%, Freisinn 38% = 96%, 1912: SPD 62%, Freisinn 34% = 96%. Haben wir es nicht statt der im Text suggerierten Einheitlichkeit mit einer sozial und politisch tief gespalteten Gesellschaft und Krieg als möglichem Befriedungsmittel zu tun?
Es sind durchaus sehenswerte Exponate in der Ausstellung, doch die geraten zur Staffage, ‚altes Zeugs‘ aus der Zeit um den 1.Weltkrieg. Warum organisiert man nicht das Kriegsgeschehen um die Kriegs- und Fronteinsätze der Garnison? So liefern einige Uniformstücke der 21er isolierten Ersatz. Warum hängt man die Ausstellung nicht an Kriegserinnerungen von Fürthern auf. Es macht keinen Sinn, bei August Deindörfer eine Postkarten- und Fotosammlung zu erwähnen, die „überdurchschnittlich gut seine Erlebnisse im Krieg“ dokumentiere, wenn man nur 5 oder 6 postkartengroße Fotos zeigt.
Eine besondere Vorliebe hat die Museumsleitung für sog. ‚Duftstationen‘, hier die „’Duftstation‘ Phosgen-Gas. Etwa 90.000 Soldaten sollen im Ersten Weltkrieg durch die Einwirkungen von Giftgas ums Leben gekommen sein.“ Warum „sollen“? Man macht eine Klappe auf, nach einiger Zeit wird ein süßlicher Duft bemerkbar, ähnlich wie in einer Süßwarenabteilung. So sollen die Schrecken des Gaskriegs deutlich werden?
Auch mit dem Kriegsende und den Folgen des Krieges weiß man wenig anzufangen, immerhin entsteht ein – wenn auch schwacher – demokratischer Staat. Zwei unscharfe Bildchen, Unruhen, die offenbar keiner in Fürth wollte. Der Gegensatz zwischen autoritärem ‚Reich‘ und demokratischer ‚Republik‘, dem Grundthema deutscher Politik im 20.Jahrhundert, wird verwischt mit der Bemerkung, es sei vom Kaiserreich „zum demokratischen Deutschen Reich, der „Weimarer Republik““ gegangen. Diesen Reichs-Begriff hat man mit voller Absicht weitestgehend zugunsten des Begriffs Republik zurückgestellt, so wie die Gegner der Demokratie mit dem „Dritten Reich“ wieder darauf zurückgegriffen haben und ihn die „Bundesrepublik Deutschland“ wieder verlassen hat.
Zu diesen begrifflichen Unschärfen kommen fragwürdige Verknappungen historisch komplexer Strukturen. Unter der Überschrift ‚Alliierte Kriegspropaganda‘, wird arg vordergründig ein diffiziles Thema knappest und wenig differenziert abgehandelt, wobei man zu dem Schluss kommt: “Der dadurch geschürte Hass auf Deutschland trug mit zu den harten Friedensbedingungen von Versailles bei und legte damit auch einen Teil der Saat, die zum Zweiten Weltkrieg führte.“ Damit steht Herr Schramm nicht ganz alleine. Heißt es doch am Ende eines Internet-Artikels zu „100 Jahre Ausbruch des 1. Weltkriegs: Kriegspropaganda… Die bis dahin beispiellose Barbarisierung des Gegners durch die Entente machte auf der anderen Seite einen echten Frieden unmöglich und führte stattdessen zu Versailles… Dass es in dieser Konstellation bald wieder zum Krieg kam, kann nicht ernsthaft überraschen.“ So geschrieben in ‚Corona – Nachrichten für Monarchisten, Ausgabe 128, 23.März 2014. Kein Scherz, ein Irrlichtern durch Geschichte.