Besuche am Samstag, 5.5.2018 und Sonntag, 13.5.2018, insgesamt ca 30 Minuten. Der Ausstellungsbereich ‚Fürther Frauenleben im 19. und 20. Jahrhundert‘ ist Teil der nicht sehr großen Sonderausstellung ‚Fürth 200 Jahre eigenständig‘ (siehe extra Bericht). Er wurde wohl vom ‚Museum Frauenkultur‘ in Burgfarrnbach erarbeitet und durch das Stadtmuseum gestalterisch umgesetzt. Zumindest sieht’s so aus. Der Bericht handelt also nicht von der neuen Ausstellung des ‚Museums Frauenkultur‘ in Burgfarrnbach, die ich noch nicht gesehen habe.
Ein sehr langer Text gibt einen Überblick über die Geschichte der Emanzipation von Frauen in Fürth und anderswo. Jeweils an einer der drei Wände wird eine Frau vorgestellt mit einigen Fotos an den Wänden und meist schriftlichen Dokumenten in einer Vitrine davor. In den beiden Ecken dann noch ein Vitrine zur Schriftstellerin Ruth Weiss und eine Figur aus Pappmaché der Kirchenmusikdirektorin Frieda Fronmüller. Alle Frauen leb(t)en großteils oder ganz im 20. Jh. Neben dem einleitenden Text folgt die Darstellung von Pauline Landmann und ihren 4 Töchtern einer Familie von Hopfenjuden in der Meckstraße, die 4 Söhne bleiben unberücksichtigt. An den Wänden 7 Fotos. In der Vitrine zunächst eine – wie auch bei den anderen Frauen – sehr knappe Biographie mit den nötigsten Anmerkungen. Ein Leben wird dadurch ebensowenig plastisch wie durch das Poesiealbum, Tagebuch, Urkunden, Zeugnisse. Analog die kurze Biographie nebst 2 Fotos und 10 gestapelten Büchern zu Ruth Weiss, 1924 geboren, 94 Jahre alt, ebenfalls Jüdin und viel in der Welt herumgekommen.
Zu Dr. Frieda Vogel, 1948 bis 1969 Jugendamtsleiterin in Fürth, öffnet sich die monotone Präsentation endlich in der Überschrift der Biographie: „Mein Oberbürgermeister hielt nicht viel von Frauenarbeit, er war so ein Macho-Typ.“ Nach der Wortwahl zu urteilen wohl ein später Ausspruch, aber immerhin. Wieder 3 Fotos an der Wand, dazu ein Familienfoto, ein Gedicht- und Aphorismenheft, etwas Schmuck, eine Widmung von Frau Landmann-Steuerwald (aus der Landmann-Familie), die Traueranzeige. Daneben die Figur der Kirchenmusikdirektorin. Auf der letzten Seite geht’s um Frau Dr. Else Hölzl, die wohl zwischen 1912 und 1922 in Fürth lebte und von 1919-1922 für die SPD im Stadtrat saß. Danach zog sie mit ihrem Mann nach Freiburg, wo er Bürgermeister wurde. Auch ein Grund für weibliche Mobilität.
Um es deutlich zu sagen: ich missachte die Lebensleistung dieser Frauen in keinster Weise. Ich beschreibe eine Ausstellung. Bei diesem Schnelldurchlauf werden diese reichen, oft auch an Schrecken reichen Leben viel zu wenig präsent, wird Fürther Frauenleben viel zu wenig repräsentiert. Da werden Frauenleben phantasielos nach Schema F abgearbeitet. So ehrt man Menschen nicht, egal wie verdienstvoll. Dabei ließe sich Fürther Frauenleben im 19./20. Jh. spannend darstellen, würde man sich erst einmal von dem engen biographischen Ansatz lösen. Die Fürther Historikerin Renate Trautwein hat das in ihren Büchern über Fürther Frauen 2003 und 2007 ansatzweise gemacht, ebenso Frau Franger vom Frauenmuseum im Buch über die Geschichte der Frauen in Mittelfranken (2003).
In den 1820er und 1830er Jahren lag die Zahl der unehelichen Geburten in Fürth bei 30-35 %, weil die Verweigerung der Heimatberechtigung u.a. ein Heiratsverbot nach sich zog. Und die Heimatberechtigung wurde fast immer verweigert, weil die Gemeinden im Verarmungsfall z.B. bei Arbeitsunfähigkeit (auf heute unvorstellbar niedrigem Niveau) hätten einspringen müssen. Noch 1861 schrieb der Kgl. Bezirksgerichtsarzt Dr. Adolf Mair: „Auf 100 Geburten treffen im allgemeinen 23,6 außerehelich Geborene.“ Und kurz darauf: „Achtsamkeit auf Schwangere und Wöchnerinnen ist wohl bei den Juden durchweg zu bemerken. Bei Christen erfreuen sich nur die wenigeren der besseren und wohlhabendern Klasse Zugehörigen einer passenden Pflege und Ruhe, während die zur Arbeiterklasse Gehörigen weiter ihr mühevolles Tagewerk bis zum letzten Tage vor der Geburt fortsetzen und nicht selten schon nach der Geburt gezwungen sind, das wieder zu beginnen, was sie nur der Notwendigkeit wegen aussetzen mussten“ (Mair/Ott, S.66). Wen wundert’s, dass im 1. Jahr etwa 30 % der Neugeborenen starben, so dass 1861 die durchschnittliche Lebenserwartung in Fürth bei ca 30 Jahren lag mit Unterschieden zwischen Juden (höher) und Christen (niedriger).
Um 1900 lag die Lebenserwartung der über 15-jährigen männlichen Metallschläger bei 41 Jahren, die der Einlegerinnen bei 40 Jahren – bei durchschnittlich ca 58 Jahren in Bayern. 1909 war die Säuglingssterblichkeit im 1.Lebensjahr in Fürth mit 28% deutschlandweit an 1. Stelle. Lt Gewerbe- und Handelsgeschichte der Stadt Fürth von 1890 lag infolge der Quecksilberkrankheit (Merkurialismus) bei Spiegelbelegern das „durchschnittliche Lebensalter für männliche Arbeiter auf 48,6 Jahre, für weibliche auf 36,2 Jahre“. (S.281) „Und die Kinder, häufig Frühgeburten, sind immer krank, schlecht genährt und mangelhaft entwickelt.“
Wir bleiben in Fürth bei der Darstellung dieses (bekannten) Sachverhalts meist an den Häusern hängen, Nathanstift, Krautheimer Krippe, Lungenheilstätte etc und den Biographien der Stifter. Beide, Stifter wie Stiftungen, sind nicht hoch genug zu würdigen. Aber irgendwann sollte man die Ursache darstellen, die Opfer, und das waren mehr noch als Männer die Frauen, Arbeiterfrauen. Das wünscht man sich bei einer Ausstellung über „Fürther Frauenleben im 19. und 20. Jahrhundert“, nicht knappe, lieblos gestaltete biographische Skizzen von Frauen des 20. Jhs meist (groß)bürgerlicher Herkunft. Und das könnte man sogar – wenn man es denn könnte – spannend und eindringlich zeigen, nicht so bieder wie jetzt.