Leserbrief
Im kulturellen Jahresrückblick der FN vom 27.12.2016 schreibt Herr Boll Erstaunliches zum Rundfunkmuseum. Man müsse „das Haus von einem Schaudepot zum wissenschaftlich fundierten Ausrufezeichen“ machen. Er wiederholt damit eine Bemerkung Herrn Schramms aus der FN vom 24.11.2016 zum „Schaudepot-Charakter früherer Jahre“. Da muss man wirklich keine Ahnung davon haben, wie das Rundfunkmuseum aussah und was ein Schaudepot ist. Aber muss man seine Unwissenheit gleich doppelt in der Zeitung verbreiten?
Zur Erinnerung ein kleiner virtueller Gang durch das Rundfunkmuseum (im Juni 2013):
Auf Ebene 1 steht das große Modell der Ludwigseisenbahn in Erinnerung an die (Wieder-) Entdeckung der elektrischen Leitfähigkeit der Erde 1838 an der Ludwigseisenbahn in Fürth (inzwischen entfernt).
Auf Ebene 2 ist das ‚Café‘ im Stil der 1950er Jahre inkl. Musikbox gestaltet. Im folgenden ‚Raum 1923 – 1933‘ steht die Installation eines Messestandes von Max Grundig aus dem Jahr 1930 (inzwischen entfernt). Der anschließende ‚Raum 1933 – 1939‘ beginnt mit einer Installation zum Volksempfänger, die ebenso entfernt wurde wie das Wohnzimmer mit Christbaum. Es folgt das Ensemble Ladengeschäft von Max Grundig.
Auf Ebene 2 ist der gesamte ‚Raum 2.Weltkrieg‘ inszeniert. Darin eingebettet ein Ensemble Schwarzhörer, ein Ensemble Luftschutzkeller mit einer Puppe zu Lili Marleen mit Original-Bühnenkleid von Lale Andersen (inzwischen entfernt) – und auch entsorgt wie so vieles, wo man doch gar keine Informationen über die Herkunft der Exponate und ihren Besitzstatus (Eigentum/Leihgabe) habe? Ein Amerikaner, der seit vielen Jahren das Museum besucht, schrieb mir am 7.11.16: „Jedes Jahr im Rundfunk Museum hat meine Mutter die „Lili Marlene“ Ausstellung besucht, und ich habe immer ein Video dort mit ihr aufgenommen. Dieses Lied erinnert sie an meinen Vater und die Kaserne in Weiden in 1948. Letzter Monat waren wir sehr enttäuscht zu ermitteln, das das „Lili Marlene“ Mannequin nicht mehr am Platz war.“ Am Ende des Raumes befindet sich das Ensemble Kriegszerstörung mit einer Bombe. Der anschließende ‚Raum Nachkriegszeit‘ beginnt mit einer Wohnküche (inzwischen entfernt), es schließt sich ein Ensemble Produktion mit original Regalen und Tischen aus Grundigs Frühzeit an. Der ‚Raum 1950er/60er Jahre‘ beginnt mit einem Metz- Messestand und einem Gerüst. Es schließt sich das Wohnzimmer 50er Jahre an, darauf folgt das Ensemble Camping mit Koffergeräten.
Die Ebene 3 verlässt die chronologische Darstellung der Rundfunkgeschichte in Deutschland. Der erste ‚Raum Geschichte der Schall- und Bildaufzeichnung‘ beginnt mit einem Ensemble zur Vorführung von Filmen. Es schließt sich der ‚Raum TV-Geschichte‘ dort an, wo die TV-Entwicklung bei Grundig begann. Der ‚Raum 1970er bis Gegenwart‘ beginnt mit einer Installation zur Messung der TV-Quote, daran neueste Entwicklungen z.B. zum 3D-Beamer (inzwischen entfernt).
Kann man denn jeden Mist über das Rundfunkmuseum schreiben, Herr Boll? Haben denn ihre Leser gar keinen Anspruch auf eine fundierte, wirklichkeitsbezogene Berichterstattung? Auf den absurden, aber trotzdem wiedergegebenen Vorwurf von Herrn Schramm, im Museum seien „von jedem Gerät gleich mehrere Exemplare gehortet“ (FN, 24.11.16), gehe ich gar nicht erst ein. Es ist Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in der Zeitung Richtiges steht. Aber überzeugen Sie sich doch selbst einmal. Im Museum existieren ein Eingangsinventar, ca. 4-5 Ordner mit alphabetischer Reihung der Geber inkl. genauer Geräteauflistung und 2-3 Ordner der Spender in chronologischer Abfolge. Stehen alle in meinem Vorzimmer (Stand Juni 2013).
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Walther
ehem. Leiter des Rundfunkmuseums Fürth
Fürth, 2.1.2017
Der Leserbrief wurde bis zum 22.1.2017 nicht veröffentlicht, auch andersweitig wurden die Angaben nicht korrigiert.