Fürth – Jubiläumsjahr 2018? – Ein Fazit

Zunächst noch einmal die Fakten. (Da Belege in meinen bisherigen Blogbeiträgen zum Thema enthalten sind, verweise ich darauf am Ende des Beitrags unter 1,2,3).

Stadt wurde Fürth 1808. Das sollte man akzeptieren, auch wenn man sich heute offenbar mehr Glamour wünscht. Aber diese Art der Stadtwerdung drückt genau aus, welchen Stellenwert damals die Bürger hatten: einen äußerst geringen. Napoleon wollte Geld und Soldaten, die Wittelsbacher die Königskrone in einem größeren Bayern. Fürth auf Grund seiner Größe zur Stadt zu ernennen, war ein (überfälliger) Verwaltungsakt.(1)

Nachdem das Rathaus offenbar 2018 für das 200.Stadtjubiläum festgelegt hatte, griff man zu einer Hilfskonstruktion. Seit 1808 Stadt (2.Klasse), wurde Fürth 1818 zur Stadt 1.Klasse erhoben. Erstklassig, das klingt doch gut. Aber was verbirgt sich dahinter? In der im Stadtmuseum ausgestellten ‚Instruktion der Polizei-Direktionen in den Städten‘ von 1808 (Polizei heißt damals Verwaltung – GW), das in diesem Punkt mit dem von 1818 übereinstimmt, heißt es:

§ 3. In Rücksicht auf den Gehalt (Entlohnung – GW) und die Zahl des Personals theilen sich die oben bezeichneten Städte in 3 Klassen.“ Grundlage war die Einwohnerzahl.

Dazu wird im Gemeindeedikt von 1818, § 47, zum jeweiligen Magistrat ausgeführt:  Stadt 1.Klasse: 2 Bürgermeister, 2-4 rechtskundige Räte, 1 Baurat (bei Bedarf), 10-12 Bürger Stadt 2.Klasse: 1 Bürgermeister, 1-2 rechtskundige Räte, 1 Stadtschreiber, 8-10 Bürger Stadt 3.Klasse: 1 Bürgermeister,1 Stadtschreiber, 6-8 Bürger

Hinzu kommt noch, ebenfalls gestaffelt, das Kanzleipersonal. Natürlich kann man so eine Erstklassigkeit feiern. Aber stellt man sich darunter nicht mehr vor? Zumal dies in der Publizistik zum Jubiläumsjahr durchaus gefördert wird. Sonderlich erstklassig ist diese Erstklassigkeit nicht.

Diese Erstklassigkeit hat man verbunden mit dem Begriff ‚eigenständig‘: „200 Jahre eigenständig“, „2018 feiert Fürth die Ernennung zur Stadt erster Klasse“ titelt die Jubiläumsbroschüre. Das Gemeindeedikt 1818 gibt hierzu eine Antwort:

§ 21. Sie (die Gemeinden – GW) stehen unter der besonderen Kuratel und Aufsicht des Staates, und genießen die Vorrechte der Minderjährigen“

Das sind juristische Begriffe, Kuratel bedeutet Vormundschaft, Pflegschaft. Man hat sich nicht die Mühe gemacht, dieses Einschränkung, die in der gesamten historischen Literatur zum Thema betont wird (1), zu berücksichtigen. Kuratel und Aufsicht über Minderjährige bedeutet deren Eigenständigkeit? Das ist zumindest eigenwillig. Zumal eine Kuratel nicht zu vergleichen ist mit der heutigen ‚Rechts-‚ bzw. ‚Fachaufsicht‘ der Regierungsbezirke.

Nicht in der Ausstellung: Stadtverwaltung um 1876 anhand der Räumlichkeiten im Rathaus
Foto: Gerd Walther

1818 hat sich das junge Königreich Bayern eine einheitliche Verwaltungsstruktur geschaffen. Deren Auswirkung besetzt man jetzt in Fürth mit dem diffusen, aber positiv besetzten Begriff ‚Eigenständigkeit‘. Dazu wurden aus der chronologischen Abfolge Kausalverbindungen aufgebaut, die nicht der historischen Realität entsprechen. So haben die Stadtentwicklung und das Bevölkerungswachstum im 19.Jh. sehr wenig mit der Zugehörigkeit zu Bayern oder gar dem Gemeindeedikt von 1818 zu tun. Dafür aber viel mit Industrialisierung, die sich aus ganz anderen Quellen speist. Ganz im Gegenteil hat die Eingliederung nach Bayern die sehr dynamische Entwicklung Fürths im 18.Jh. ausgebremst. Diese wird in der Literatur des späten 18.Jhs, also von Zeitgenossen, durchwegs positiv beschrieben (2). Das negiert man weitestgehend, da man die ‚Dreiherrschaft‘ als Negativfolie zur angeblichen Prosperität Fürths im Kgr. Bayern braucht. Doch auch der große Marktflecken hatte eine Gemeindeverwaltung mitsamt (rechnungsführendem) Bürgermeister, kleiner, wenn man so will, unbürokratischer. Das Wohl der Bürger steigt ja nicht automatisch, wenn die Bürokratie wächst. Desgleichen hängt man weitere Veränderungen im Gefolge der Industrialisierung an das Jubiläum: dass es ein breites, partiell reiches Bürgertum gibt und eine Arbeiterschaft, die auch mitreden wollen. Im Grunde feiert man zum 200.Jubiläum, was von 100 Jahren durch die Revolution von 1918 auch in Fürth erreicht wurde: Demokratie, gleiches Wahlrecht auch für Frauen, Abschaffung von Adelsprivilegien in einer Republik – und darauf aufbauend eine echte kommunale Selbstverwaltung. Die aber blieb aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik in den Anfängen stecken.

Zuletzt bleibt man an der Feier zur Einsetzung des Magistrats 1818 hängen. Natürlich haben die Fürther da gefeiert, die Reichen wie wohl auch die Armen. Warum auch nicht. Aber wie wenig damit ausgesagt ist über das Verhältnis von Obrigkeit und Untertanen, zeigen die Ereignisse zur Feier des 25-jährigen Dienstjubiläums Bäumens. Am 18.11.1843 Feier, am 31.12.1843 Tumult, ‚Katzenmusik‘, Sturm auf’s damalige Rathaus. Kg Ludwig I. selbst ließ daraufhin in Nürnberg Kasernen bauen zum Einsatz gegen die Einwohner beider Städte (3).

Nun ist es ja durchaus positiv, wenn zu einem Jubiläum mit vielen Veranstaltungen gefeiert wird. Aber warum kann man dies nicht in den passenden Rahmen stellen? Das Stadtmuseum gibt in seiner Sonderausstellung die Antwort. Es erstaunt zunächst, wie stiefmütterlich der 1.Bürgermeister Bäumen behandelt wird. Zu Fürth im 19.Jh. werden vier recht willkürlich ausgewählte Gebäude meist in nicht realisierten Entwürfen vorgestellt. Ein Grundriss des Rathauses mit der Raumeinteilung, der einen Einblick in die Verwaltung 1840 gegeben hätte, wird nicht vertieft. Dafür stehen 2 Stühle aus einer Schule genauso hilflos herum wie zuletzt im Rathaus. Das ist ebenso 08/15 auf niederer Ebene wie die beiden Vitrinen zur Fürther Wirtschaftsgeschichte. Dazwischen liegt im Zentrum der Ausstellung eine Abfolge der Fürther 1./Oberbürgermeister von Bäumen bis zum jetzigen Amtsinhaber.

Hier zeigt sich die ganze Fragwürdigkeit der verschwommenen Begrifflichkeit. Nicht nur, dass man Bäumen für seine 39 Dienstjahre nur 12 Zeilen einräumt, den 2 ½ Amtsinhabern im ‚Dritten Reich‘ mit 12 Jahren dagegen 34. Was haben diese Nazi-Oberbürgermeister überhaupt in einer Ausstellung zu suchen, die unter dem Thema ‚Eigenständigkeit‘ steht? Denn während man sich im 19.Jh. mit vordemokratischen Strukturen zumindest auf dem Weg dorthin befand, wurde sie 1933 im ‚Führerstaat‘ abgeschafft. ‚Eigenständigkeit‘ in einem Regime, das auch in der Gemeindeverwaltung dem ‚Führerprinzip‘ huldigte? Das gehört zumindest erläutert.

Die Blutkette nebst Beschreibung
Foto: Gerd Walther

Es kommt noch schlimmer. Wird im Text noch kritisch die selbst für Nazis verwerfliche Persönlichkeit Jakobs erwähnt, so wird er durch eine goldene Kette ähnlich der Amtskette der Oberbürgermeister sogar herausgehoben. Und ein Museum lebt nun einmal in erster Linie vom Exponat, nicht vom Text. Keinerlei kritische Anmerkung hierzu: „Die wertvolle und aufwändig gearbeitete Schmuckkette wurde Oberbürgermeister Franz Jakob 1939 von der Fürther Industrie überreicht.“ Das war’s. Da interessiert schon, wofür genau Jakob diese Kette erhalten hat, wann genau und v.a. von wem genau. Hier wird über die Werthaftigkeit des Exponats und seine Geber eine Honorigkeit suggeriert, die nicht vorhanden war. Oder wird hier durch die Hintertüre eine der übelsten Gestalten der Fürther Stadtgeschichte als Oberbürgermeister salonfähig gemacht?

Herr Oberbürgermeister, hier hat die Stadtgesellschaft einen Anspruch auf Erläuterung, was der Nationalsozialismus mit Fürths Eigenständigkeit zu tun hat, was es mit dieser Blutkette auf sich hat. Eine Ausstellung im Stadtmuseum wäre der passende Ort. Falls dessen Terminplanung für 2019 schon abgeschlossen ist, empfehle ich das Jahr der Oberbürgermeisterwahl 2020. Schließlich ist das Jubiläumsjahr heuer auch in diesem Zusammenhang zu sehen. Oder kneifen Sie, wo es die Würde der Stadt erfordert?

PS Bis dahin wünsche ich der Stadt und ihren Bürgern, was am meisten fehlt: Eigenständigkeit, Eigenständigkeit des Denkens

(1) 200 Jahre Stadt Fürth (1808 – 2018)? – Nur ein Rechenfehler? (10.7.2017)

(2) Über Fürths fragwürdigen Umgang mit seiner Geschichte (7.12.2017)

(3) Fürth Stadtmuseum – Ausstellung ‚Fürth 200 Jahre eigenständig‘

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