Besuche am Samstag, 5.10.2019, Sonntag 29.12.2019 und Samstag 14.3.2020, insgesamt etwa 4,5 Std. Die Baugruppen ‚Mittelalter‘ und ‚Altmühlfranken‘ liegen am Südrand des Freilandmuseums. Träger des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim ist der Bezirk Mittelfranken.
Die Baugruppe ‚Mittelalter‘ besteht aus 3 Bereichen. Da sind zunächst die abgetragenen und im Freilandmuseum wieder aufgebauten Gebäude meist aus dem späten Mittelalter mit dem mächtigen Bauernhaus aus Höfstetten von 1367 im Mittelpunkt und einem Ziehbrunnen mit Schwingbaum gleich daneben. Die Präsentation geht hier ebenfalls über die Häuser hinaus in frühere Strukturen von Land-Wirtschaft. So wurde bei der im Mittelalter vorherrschenden Dreifelderwirtschaft mit Winter- und Sommergetreide die Brache seit dem 18. Jh. zunehmend mit Futterpflanzen (eine Voraussetzung der Sommerstallhaltung), Kartoffeln und Hackfrüchten bebaut. Auch die heutigen Nutztiere sind das Ergebnis von Züchtungen, wurden größer und ertragreicher. Das Hausschwein erhielt erst nach Einkreuzungen im 18. Jh. mit Rassen aus Asien das heutige Aussehen. Auch hier bewahrt das Freilandmuseum vom Aussterben bedrohte Tierrassen, das ’schwalbenbäuchige Wollschwein‘ etwa. In den Gebäuden kommen Infos zum Hausbau hinzu, zu Ess-, und Trinkgewohnheiten mitsamt dazugehörigen Utensilien. Sehr interessant ist das Tagelöhnerhaus aus Marienstein/Eichstätt von 1367, lt Beschreibung das ‚älteste bekannte Haus ländlicher Unterschichten in Deutschland‘.
Daneben liegt das ‚Archäologische Dorf‘. Hier handelt es sich um Nachbauten in originaler Größe nach Bodenfunden: Grubenhaus, Firstpfostenhaus, Steinfundamenthaus bilden ein idealtypisches Gehöft (lt Beschreibung eines Halbfreien, der noch ein Holzhandwerk betrieb) aus dem Hochmittelalter. Dazu ein Kastenbrunnen, die Umzäunung, ein Brücklein über einen Bach. 4 – 5 solcher Gehöfte bildeten um 1000 n.Chr. ein Dorf. Nach Spät- und Hochmittelalter gehört das ‚Archäologische Museum‘ der ‚Archäologischen Staatssammlung München‘ als Museum im Museum in diese Baugruppe. Untergebracht ist es in der großen Schafscheune aus Virnsberg von 1506. Geht man im Gebäude gegen den Uhrzeigersinn, so gelangt man über Exponate, Modelle, Installationen aus dem Frühmittelalter zu den Römern, dann über Eisen- und Bronzezeit bis hin zur Jung- und letztlich Altsteinzeit zurück zum Eingang. Das ist alles sehr anschaulich und intensiv dargestellt. Man merkt, dass hier (wie insgesamt im Freilandmuseum) Leute am Werk sind, die ihr Handwerk verstehen und komplexe Sachverhalte so präsentieren, dass leicht und anschaulich Frühgeschichte plastisch hervortritt. Häuser und Siedlungen erscheinen in Modellen, Hausbau und Feldwirtschaft werden erläutert, typische Werkzeuge und Waffen vorgestellt. Hinzu kommen Inszenierungen einer Bestattung um 550 n. in einem Gräberfeld bei Schweinfurt, einer Befestigungsanlage auf dem Bullenheimer Berg bei Kitzingen um 1000 v. sowie eines Zeltensembles aus der Jungsteinzeit um 12500 v., der Zeit der Jäger und Sammler.
Auf dem Weg zur Baugruppe ‚Altmühlfranken‘ liegt das ‚Doppelhaus‘ aus Ochsenfeld/Eichstätt von 1455, das zur Hälfte mit seinem letzten Aussehen und der Einrichtung von 1955 präsentiert wird. Eine gute Idee, auch wenn man die Texte auf Glas schlecht lesen kann. Dass allerdings in der engen Wohnschlafküche das Siemens-Radio ‚Großsuper 53‘ stand, der 1952/53 stolze 399.- DM gekostet hat, ist als Abspielgerät für Schlager der Zeit zwar schön gemacht, aber unwahrscheinlich. Ein Rundfunkmechaniker bei Grundig, der sicher mehr verdiente als die Bewohner des Zimmers, bekam 1953 einen Stundenlohn von 1,30 DM, hätte also etwa 6 Wochen für das Gerät arbeiten müssen. Nach einem Färberhaus mitsamt göpelbetriebener Mangel sowie einem ‚Mordhaus‘ mit Vergolder-Werkstatt und Einblick in Hausschlachtungen (!?), gelangt man zu den gedrungen aussehenden Häusern aus ‚Altmühlfranken‘. Neben einer Schankwirtschaft aus Treuchtlingen mitsamt Kegelbahn wirken die Bauernhöfe aus Reichersdorf, der ‚Zuckerhof‘, und Gungloding durch die Dächer aus Kalkplatten der Solnhofer Gegend fest auf die Erde gedrückt. Doch wie imposant ein Stall mit ‚Säulenhalle‘ aussehen kann, sieht man am ‚Zuckerhof‘. Seit 1498 lassen sich 15 Generationen der Bewohner nachweisen, seit 1697 präsentiert man die vorhandenen Informationen über sie (leider etwas eng und unübersichtlich). Wie bei den anderen Baugruppen des Freilandmuseums begegnet uns auch bei ‚Mittelalter‘ und ‚Altmühlfranken‘ eine lebendige museale Präsentation auf sehr hohem Niveau, die nicht zuletzt durch die Veränderungen im Jahresablauf einen wiederholten Besuch allemal lohnt.