‚Hauptmann von Köpenick‘-Ausstellung

Besuch am Donnerstag, 9.11.2017, eine knappe Stunde. Die Ausstellung – und das macht sie reizvoll – befindet sich am historischen Ort im Rathaus von Köpenick in den beiden Kassenräumen mitsamt dem alten Tresor. Träger der 2016 eröffneten Ausstellung ‚Der Hauptmann von Köpenick – vom Sträfling zur Legende‘ ist das Bezirksamt Treptow-Köpenick.

Der alte Tresorraum
Foto: Gerd Walther

Es gibt nicht viele Orte, die wegen eines einzigen Ereignisses weltberühmt wurden und noch weniger, bei denen dieses Ereignis keine Katastrophe war. Vordergründig geht es um den Raub der Stadtkasse durch den Schuster Wilhelm Voigt 1906 in preußisch-hochstaplerischer Weise. Aber die ganze Welt hat darüber gelacht, wie dadurch der preußische Staat mit seinem nahezu alle gesellschaftlichen Gruppierungen durchdringenden Militarismus vorgeführt wurde. Und sie schmunzelt wohl auch heute noch darüber. Hätte es diesen Vorfall vor jetzt 111 Jahren nicht gegeben, Köpenick würde kaum jemand kennen. Dabei würde es der schöne Ort am Müggelsee im Osten Berlins, wozu Köpenick seit 1920 gehört, verdienen.

Es ist eine kleine Ausstellung (was per se nicht negativ ist), die uns hier im mächtigen Rathaus von Köpenick gezeigt wird. Köpenick zählte damals nicht zu den armen Gemeinden. In zwei kleinen Räumen gleich neben dem Eingang geben 14 Schautafeln einen gut gemachten Überblick über Hintergründe, Ursachen, den Verlauf, die Folgen und den entstandenen Mythos. Hinzu kommen besagter Tresor (ein Prachtstück) und eine (die?) Uniform. Der Schuster hatte immerhin von seinen 57 Lebensjahren 29 im Zuchthaus verbracht, was nicht nur auf die Person, sondern auch auf das preußische Justizsystem kein gutes Licht wirft. Ernsthaft um seine Integration in die Gesellschaft mittels Arbeit bemüht, scheiterte er mehrfach, weil er als Vorbestrafter des Landes verwiesen wurde. So kauft er sich beim Trödler eine Hauptmanns-Uniform, schnappt sich einen Trupp Soldaten, besetzt das Rathaus in Köpenick, verhaftet den Bürgermeister und eine weitere Person und verschwindet mit der Stadtkasse. Eine Uniform, die nicht einmal ganz top war, ein schneidiges Auftreten, einige Soldaten, das genügte. In der späteren Urteilsbegründung hieß es strafmildernd, dass er die Kasse mit knapp 4000 Mark nicht weggenommen habe, sondern dass sie ihm übergeben wurde. Gegen Quittung. Voigt hatte sich mehr erhofft. Nach 10 Tagen wurde er verhaftet.

Köpenicker Zeitungsbericht vom 16.10.1906
Foto: Gerd Walther

Die Ausstellung zeigt das Geschehen in anschaulichen Tafeln mit nicht allzu langen Texten, vielen Fotos und Karikaturen. Leider sind die interessanten alten Presseberichte schwer lesbar. Auch der Nachruhm mit Karl Zuckmayers Theaterstück ‚Der Hauptmann von Köpenick, ein deutsches Märchen‘ aus dem Jahr 1931 und mehreren populären Verfilmungen wird dokumentiert. Natürlich war Zuckmayer kein Historiker, sondern ein Literat, der ein spannendes und vergnügliches Theaterstück schrieb. Das legt weniger Wert auf die historisch genaue Wiedergabe der Personen als auf die Darstellung fragwürdiger militaristischer Strukturen. Die Ausstellung beleuchtet auch dies durch Hinweise auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse rund um das Geschehen und seine Wirkung. Nach seiner Entlassung 1908 (zwei Jahre Strafe wurden ihm erlassen) hat Voigt sich erfolgreich mit Auftritten, Postkarten, einer Autobiografie, einer vom US-Zirkus ‚Barnum and Bailey‘ organisierten Tournee etc. vermarktet. 1910 ließ er sich in Luxemburg nieder. Sein Vermögen, Haus und Auto verlor er durch Krieg und Inflation.1922 wurde er dort im Armengrab beerdigt.

Eine Besuchergruppe (drei Paare) war nach ca 5 min wieder draußen. Gegen Heinz Rühmann, Harald Juhnke & Co im Hinterkopf hat die Darstellung der historischen Wirklichkeit wenig Chancen. Evtl würde helfen, wenn man die Verweildauer verlängert. Etwa durch einen Tisch, auf dem die Urteilsbegründung, Zeitungsberichte etc. gut lesbar auslägen. Oder die Grammophon-Aufnahme Voigts von 1908. Auch eine Auswahl kurzer Filmausschnitte mit verschiedenen Hauptmann-Darstellern wie Rühmann, Juhnke, Rudolf Platte etc. böte sich an. Dazu die nette Kurzfassung Michael Sommers zu Zuckmayers Theaterstück mit Playmobil-Figuren. (Ist alles auf ‚YouTube‘.) Und sehen könnte man’s auf einem Monitor im Tresor, denn das ist heute ein Schatz Köpenicks. Die Ausstellung hätte es verdient. So bekäme evtl die recht sehenswerte Präsentation eine längere Aufmerksamkeit seitens der Besucher und diese einen differenzierteren Blick auf die Köpenickiade. Wenn man das will.

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