Museum Charlottenburg-Wilmersdorf

Besuch am Freitag, 10.11.2017, ca 2 Std. Das ‚Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim‘ geht auf Anfänge von 1987 zurück. Es zog 2012 in die Neurenaissance-(Sommer-)Villa der jüdischen Bankiersfamilien Mendelssohn und Oppenheim. Träger des Museums ist das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf.

1920 entstand Groß-Berlin, damals nach New York und London die bevölkerungsreichste und eine quicklebendige Stadt. Zwei eingemeindete Städte waren Charlottenburg mit etwa 300.000 Einwohnern und Wilmersdorf mit ca 140.000. Der Kämmerer Berlins wird sich 1920 die Hände gerieben haben, waren es doch sehr reiche Erwerbungen. Charlottenburg etwa hatte das höchste Prokopf-Steuereinkommen im Deutschen Reich. 2001 erfolgte der Zusammenschluss zum Verwaltungsbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.

Gemälde ‚Brautzug‘ von Rudolf Henneberg, 1872, aus der Villa Warschauer. Links evtl. der Philosoph Moses Mendelssohn
Foto: Gerd Walther

Die ehemalige Sommervilla der jüdischen Bankiersfamilien Mendelssohn und Oppenheim ist selbst ein wichtiger Teil der Präsentation. 1847 hatte der Bankier Alexander Mendelssohn das Grundstück mit Haus in Charlottenburg erworben, worauf er 1872 ein neues Gebäude errichten ließ, die ‚Villa Sorgenfrei‘. Die wurde abermals 1882 durch die jetzige Villa von seinem Schwiegersohn, dem Juristen Otto Georg Oppenheim ersetzt, eine typische Sommervilla reicher Berliner im vornehmen Westen. Die Mendelssohns hatten als Hofbankiers der Zaren großen Reichtum erworben. Siemens wohnte in der Nähe, der Nobelpreisträger Theodor Mommsen, der Agfa-Gründer Paul Mendelssohn-Bartholdy, die verschwägerte Bankiersfamilie Warschauer. Nach Oppenheims Tod 1909 verkaufte man 1911 die inzwischen von Häusern umbaute Villa an die Stadt, die darin eine Schule eröffnete.

Das Museum zeigt im Erdgeschoss zunächst die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner, reiche, assimilierte Juden, evangelisch getauft und in jüdischen Traditionen lebend, dabei preußisch-konservativ. Fotos, Gemälde, Briefe und Berichte geben ein anschauliches Bild großbürgerlichen Lebens. Ein Audio-Guide ergänzt dies sinnvoll wie im gesamten Museum, das zwar nicht groß ist, aber intensiv und anschaulich gestaltet.

Ausstellungsbereich ‚WESTEN!‘
Foto: Gerd Walther

Es folgt die 2014 eröffnete Ausstellung ‚WESTEN!‘ zur Geschichte des Bezirks in acht Stationen von den Anfängen um 1695 über die Eingemeindung, die zentrale Bedeutung im gespaltenen Berlin bis in die Gegenwart. Es spricht für die Sensibilität der MacherInnen, dass man bei den sechs Vitrinen auf Vorbilder am Kurfürstendamm zurückgegriffen hat, der auch in Charlottenburg liegt. Wenige, aber gut ausgewählte Exponate geben mit informativen Texten einen intensiven Einblick in ein bürgerliches wie auch industrielles Umfeld, zeigen Ganz und Glamour der 1920er, die Paradestraßen des Nationalsozialismus und die Rolle als pulsierendes und kulturelles Zentrum Westberlins. Es braucht ja nicht unbedingt viel, um eine interessante Ausstellung zu gestalten, aber die Exponate müssen wie hier auch von einem hohen dokumentarischen Wert sein. Ein Filmsaal ergänzt die Ausstellung, schließlich hatte die ‚Berlinale‘ um den Zoo-Palast ihr Zentrum. Man kann aus vier nicht allzu langen Filmsequenzen wählen. Daneben verweist die Ausstellung auf die vielen politischen Morde und Attentate, eine Kehrseite des Stadtteils im Zentrum des Geschehens, Attentate auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Walter Rathenau, Benno Ohnesorg, Rudi Dutschke, Günter von Drenkmann und andere.

Das Obergeschoss enthält einen Querschnitt aus der Kunstsammlung Charlottenburgs, meist Gemälde, dazu einige Skulpturen. Viele Künstler der ‚Berliner Secession‘ um 1900 sind ausgestellt. Schließlich positionierte sich die reiche Stadt auch kulturell. Uns begegnet hier ein vorzügliches Museumskonzept, indem nach der intensiven Ausstellung im Erdgeschoss mit dokumentarischem Schwerpunkt jetzt die Galerie mit den Augen von Künstlern Zeit, Stadt und Menschen verdichtet. Das schöne Museum, das sich nach außen unnötig bescheiden gibt, findet seinen Übergang in die Umgebung im anschließenden Park, der nach dem Erwerb der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war.

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