Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel

Besuch am Dienstag, 7.11.2017, ca 3 Std. Der Besuch des Schlosses unterteilt sich in das 1695-1712 in Etappen erbaute Alte Schloss mit ca 25 Räumen zur Besichtigung, den 1740-1746 unter Friedrich II., dem Großen, errichteten Neuen Flügel mit ca 37 Räumen und den Schlosspark, dessen Besuch frei ist. Weiteres steht in meinem Beitrag zum Alten Schloss. Trägerin ist die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.

Der Goldene Saal diente als Ballsaal
Foto: Gerd Walther

Man betritt den Neuen Flügel im Osten des Alten Schlosses durch einen separaten Eingang. Der Rundgang des ebenfalls im 2.Weltkrieg weitgehend zerstörten Gebäudes beginnt im Obergeschoss fulminant mit dem Weißen und dem Goldenen Saal. Er umfasst danach die 2.Wohnung Friedrichs II. (König von 1740-1786). Dann geht’s zurück in die sog. Winterkammern Friedrich Wilhelms II. (Kg 1786-1797) bzw. die Wohnung von Königin Luise, der 1810 verstorbenen Frau von Friedrich Wilhelm III. (Kg 1797-1840). Es folgt ein Blick in die 1.Wohnung Friedrichs II., ehe man einen Abstecher zum Kronschatz und zur Silberkammer macht, die im Alten Schloss liegen. Wieder im Neuen Flügel geht’s in das Erdgeschoss auf einen Blick in die Sommerwohnung Friedrich Wilhelms II. und die Wohnung von Friedrich Wilhelm III. Es klingt komplizierter als es ist. Allerdings hat sich der Bauherr Friedrich II. meist in seinem Schloss in Sanssouci aufgehalten.

Auch wenn die Räumlichkeiten oft noch ihre alten Namen tragen, hat die Einrichtung, sofern sie nicht im Original sehr schön und eindrucksvoll erhalten ist, wenig damit zu tun. Ein Audio-Guide gibt anfangs Unterstützung, ebenso knappe Texte in den einzelnen Räumen. Sogar 2 Gemälde werden zu Beginn textlich (auch zum Mitnehmen) erläutert. Zweifellos wurden die Räumlichkeiten mit viel Bedacht sehr schön wieder aufgebaut. Sie geben erstaunliche Einblicke in den Wohnkomfort des Rokoko und des beginnenden Klassizismus. Aber es schleicht sich eine gewisse Gleichförmigkeit ein, die durch die Art der Präsentation zu wenig unterbrochen wird. Wo der Audio-Guide die Räume strukturieren könnte, wo in den Räumen einzelne Einrichtungs- und Kunstgegenstände erläuternd herausgehoben ihre Entstehungszeit veranschaulichen könnten, beschränkt er sich zunehmend auf eine Wegbeschreibung. So staunt man zwar über die Pracht vergangener Zeiten, wird aber eher allein gelassen und von der Fülle fast erschlagen. Statt in einzelne Bilder hineinzugehen, hängen diese in großer Zahl eher wandfüllend als zeiterklärend. Das verstärkt sich im Untergeschoss. Zum Beispiel das interessante großformatige Gemälde ‚Parade unter den Linden im Jahr 1837‘ von Franz Krüger. Im Audio-Guide kurz angerissen, gibt ein Textblatt in lese-unfreundlicher Art letztlich doch keine verwertbare Information, wer von den bürgerlich-gesellschaftlichen Größen der Zeit abgebildet ist. Dabei zeigt die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel an einem ähnlichen Bild Krügers wie auch bei anderen Gemälden, wie ein Audio-Guide sinnvoll zur Hinführung an Künstler, Werk und Zeit genutzt werden kann.

Detail der Wandverkleidung im Ostindischen Zitzzimmer
Foto: Gerd Walther

Zwischendurch ist ein Exkurs ins Alte Schloss mit Exponaten aus dem Kronschatz und der Silberkammer eingebaut. Mehrere Räume zeigen das Tafelsilber und Service der Hohenzollern bis hin zur Parade aufgereihter Eierbecher. Das ist nicht uninteressant, aber auch hier wird man von der Masse eher erdrückt. Dabei geben Texte, etwa die Speisekarte zur Hochzeit von Kronprinzessin Viktoria Luise am 24.Mai 1913, erstaunliche Einblicke in höfische Essgewohnheiten. Oder der Übergang von einem Servieren ‚á la francaise‘ (voller Tisch mit allen Speisen) zu ‚á la russe‘ (mit der Folge angemachter Menüs) um 1800 als Ausdruck einer veränderten Form des Repräsentierens. Oder die Auflistung der Speisefolge bei Prinz Heinrich. Aber die Texte gehen kaum eine Verbindung zum ausgestellten Porzellan und Tafelsilber ein. Die Kroninsignien, verwendet beispielsweise bei der Selbstkrönung Friedrichs I. zum König in Preußen 1701, hat man dann in ein allerletztes Zimmerchen hineingegeben, statt sie ansprechend würdig in den Rundgang z.B. im Alten Schloss zu integrieren, wo sie inhaltlich besser hinpassen. Es befinden sich auch im Neuen Flügel des Charlottenburger Schlosses sehr viele schöne und interessante Exponate, mit denen man leider erstaunlich wenig anzufangen weiß. Das ist schade.

Werbung