Besuch am Freitag, 26.11.2021, ca 4,5 Std. Das ‚Deutsche Auswandererhaus‘ wurde nach Vorarbeiten seit den 1980ern im Jahr 2005 eröffnet, 2012 um eine Anbau zur Einwanderungsgeschichte erweitert und 2021 nochmals durch einen Neubau zum Zusammenleben im Einwanderungsland vergrößert. Trägerin ist die ‚Deutsches Auswandererhaus gemeinnützige GmbH‘.

Foto: Gerd Walther
Man merkt schon an der Länge des Wegs vom Hauptbahnhof zum Hafen/zu den Häfen, dass Bremerhaven einen massiven Strukturwandel durchgemacht hat und derzeit versucht, sich irgendwie neu zu erfinden, auch wenn die inzwischen weit vom alten Stadtkern befindlichen Häfen v.a. für den Autoexport und Kreuzfahrten weiterhin von Bedeutung sind. Bis 1830 wurde der ‚Alte Hafen‘ in dem 1827 von Bremen angekauften Gebiet fertiggestellt. 1847-52 schloss sich der ‚Neue Hafen‘ an, an dessen Ende zum ‚Alten Hafen‘ das ‚Deutsche Auswandererhaus‘ liegt. 1873-76 reihte sich der ‚Kaiserhafen‘ an, in dessen Bereich sich mit der Lloydhalle die Columbuskaje befindet. Und von dort ging’s in die weite Welt. Zwischen 1830 und 1874 war Bremerhaven mit etwa 7 Millionen Passagieren der größte Auswandererhafen Kontinentaleuropas. Insbesondere der Norddeutsche Lloyd transportierte die Menschen auf ihrer Flucht vor Angst, Hunger und Hoffnungslosigkeit meist nach Nordamerika, Australien, Brasilien.
Die Besucher erwartet in einem ähnlichen Umfeld ein modernes, repräsentatives Gebäude. Man sollte sich von den für deutsche Verhältnisse sehr hohen Eintrittspreisen (18,50 € Erwachsene) nicht abschrecken lassen, denn man besucht ein hochinteressantes und vorzüglich konzipiertes Haus. Man begibt sich zunächst auf eine historische Zeitreise, wartet fiktiv mit anderen Emigranten auf die Abreise an der Kaje, erfährt in der ‚Galerie der 7 Millionen‘ auch anhand einzelner Schicksale etwas über die ganz unterschiedlichen Gründe zur Auswanderung, kommt über eine Gangway in die Auswandererdecks von 3 Schiffen aus den Jahren 1854, 1887 und 1929, muss in New York zunächst durch den vergitterten Wartesaal von Ellis Island, bis einen in der ‚Neuen Welt‘ die pompös-prächtige Halle des Grand-Central-Terminal empfängt, um endlich in einer Kneipe, einem Lebensmittelladen und einer Schneiderwerkstatt anzukommen. Das alles ist hervorragend und detailfreudig eingerichtet, spannend und abwechslungsreich inszeniert und durch den Einsatz moderner Museumsmedien ebenso unaufdringlich wie informativ gestaltet. Man hat nicht nur sehr viel Geld gehabt, sondern auch ebenso viel Sensibilität und Kreativität, so dass das ‚Deutsche Auswandererhaus‘ zum Besten gehört, was die deutsche Museumslandschaft zu bieten hat.

Foto: Gerd Walther
Das Problem beginnt mit den später ergänzten Ausstellungsbereichen zur Einwanderung v.a. in der ‚Halle der Debatten‘ und im ‚Forum Migration‘. Damit kein Missverständnis aufkommt: Selbst wenn diese anders gestaltet sind, so haben wir es auch hier mit einer ganz vorzüglichen Ausstellung zu tun, die dem 1.Teil in nichts nachsteht. Aber hier ist der Besucher viel mehr gefordert, da er nach dem eher historischen Teil jetzt nicht nur in den Begleittexten viel mehr mit Fragen zur Gegenwart konfrontiert wird. Nicht, dass die Besucher unwillig wären, aber nach dem sehr intensiven und fordernden Besuch zur Auswanderung sind jetzt die meisten Besucher bzgl. ihrer Konzentrationsfähigkeit am Ende. Also setzen sie sich vor einen der vielen Monitore und machen, was sie in solchen Fällen gewohnt sind: sie schalten ab. Wenn ich das Museum richtig verstanden habe, will man das insbesondere in diesem Bereich gerade nicht. Angesichts des hohen Eintritts ist ein 2. Besuch nur für diesen Bereich eher unwahrscheinlich. Vielleicht ließe sich das Problem angehen, indem man ein (niederschwelliges) Café integriert. Das muss in der Ausstellung sein, nicht außerhalb und danach. Die Grundstruktur wäre ja in der ‚Halle der Debatten‘ schon vorhanden. Indem sich die Besucher in der Unterhaltung über das Gesehene entspannen, machen sie sich zugleich fit für das Kommende. Auch dieser Bereich der Ausstellung im ‚Deutschen Auswandererhaus‘ hätte es vollauf verdient.