Besuche am Samstag, 2.9. und Dienstag, 5.9.2017, insgesamt ca 7 Std. Nach dem Brand der Cadolzburg in den letzten Kriegstagen 1945 wurde 1982 mit dem Wiederaufbau der Ruine begonnen. Als Nutzung war ein Burgenmuseum angedacht. Da Bayern keine Mittel für eine wissenschaftliche Forschungsstelle bereitstellen wollte, verlagerten sich die Bemühungen um das ‚Deutsche Burgenmuseum‘ zur Heldburg in Thüringen, wo es im September 2016 eröffnet wurde. Die Bayerische Schlösserverwaltung folgte im Juni 2017 mit dem ‚Burgerlebnismuseum‘. So viel zunächst zur Namensgebung. Zweifellos entstand ein touristisches Highlight, für das viel Geld (36,8 Mio €) ausgegeben wurde. Dem zuständigen Bayerischen Heimat- und Finanzminister aus Nürnberg sei’s gedankt.
In der Tat ist die Cadolzburg schön anzuschauen, wie sie über dem Ort und der mittelfränkischen Landschaft thront. Auch die Vorburg und der Burghof mit dem Nachbau eines alten Tretradkrans sind eindrucksvoll. Doch schon das erste Exponat, das etwas eingeklemmt zwischen beleuchteten Infotafeln steht, macht skeptisch: ein Folterstuhl, extra angefertigt für das 1894 in der Kapelle eingerichtete private Folterkammer-Museum. Phantasien über das Mittelalter (und seine Burgen) könnte man zum Thema machen – statt eine neue hinzuzufügen: das Burgerlebnis.
„Unsere Bauaufgabe war nicht,“ erläutert im nützlichen Audio-Video-Guide ein Mitarbeiter, „eine fürstliche Residenz wieder aufzubauen, unsere Aufgabe bestand darin, die Ruine der Cadolzburg zum Museum auszubauen.“ Es ging um eine neue Architektursprache im Einklang mit dem Baudenkmal, nicht um Rekonstruktion. Den Schwerpunkt des Museums gibt der 1. Raum nach der Küche vor, den „Aufstieg einer mächtigen Familie“. Im Grunde haben wir ein Zollern-Museum vor uns, das deren Aufstieg vom Nürnberger Burggrafen zum Kurfürsten von Brandenburg (und nach 1871 deutschen Kaiser) beleuchtet. Pech nur, dass ausgerechnet die vorgestellten Protagonisten, Friedrich VI. (1371-1440) und sein Sohn Albrecht Achilles (1414-1486) sukzessive Ansbach zur Hauptresidenz ausbauten. Das versprach mit dem städtischen Umfeld einen höheren Komfort als eine isoliert liegende Höhenburg, die noch dazu unangenehm nahe bei Nürnberg lag. So befand sich der fränkische Versammlungsort des Schwanenritterordens in St. Gumbert in Ansbach.
Natürlich informiert das Museum in der ‚HerrschaftsZeiten‘ betitelten Ausstellung über Leben und Treiben der zumeist hochadeligen Gesellschaft im Spätmittelalter. Aber sie kommt dabei über weite Strecken ohne Exponate im engeren Sinn aus, tut dies mit Installationen, interaktiven Medien und Spielen, Comics, vielen nachgestellten Video- und Audiosequenzen. Wo es die Aufgabe von Museumsdidaktik wäre, die Besucher an die Exponate heranzuführen, über diese möglichst optimal die Zeit zu präsentieren, ersetzt auf der Cadolzburg moderne Museumsdidaktik alte Exponate weitgehend. Sicher wird man auch auf diese Art viele Besucher erreichen und viele mögen das auch toll finden, zumal Presse und Eigendarstellung diesen Ton vorgeben. Als Museum jedoch bleibt die Burg kalt, viel museumsdidaktisches Gerät, keine Seele (bzw. allenfalls im Neuen Schloss bei der Video-Installation).
Dabei ist die Inszenierungsdichte recht unterschiedlich. Im Erdgeschoss befindet sich die Küche, wenn auch hinter (unentspiegeltem) Glas. Eine Etage höher folgt ein Blick auf den Machtzuwachs der Zollern sowie eine Art Baugeschichte der Burg mit Modellen. Das 2. Obergeschoss mit den ‚Kurfürsten-Gemächern‘ steht bis auf die Kirche fast leer, während man in die beiden ‚Gemächer der Kurfürstin‘ im 3. Obergeschoss viel hineingepfriemelt hat: Kriegsführung und Waffentechnik, Regieren und Verwalten, Jagd und Turniere, Kindererziehung und Wohnverhältnisse, Hof(staat) und Verwaltung, kulturelle und andere Bedürfnisse. Mir ist diese Raumeinteilung nicht nachvollziehbar, die Gestaltung zu gagig-oberflächlich, zu viel Plastik. Es ist zu befürchten, dass im verständlichen Bemühen um hohe Besucherzahlen der Eventcharakter der Burg zusätzlich durch Veranstaltungen mit vermeintllich mittelalterlich verkleideten und sich gebenden Menschen zunimmt. Da ist zu hoffen, dass die Bayerische Schlösserverwaltung die strengen Kriterien des Gebäudeumbaus (keine Rekonstruktion) künftig auch beim Museumsbetrieb umsetzt. Es ist nur ein ganz kleiner Schritt von der Erlebnis- zur Spektakelburg.
Zum ‚Deutschen Burgenmuseum‘ siehe unter Heldburg