Spielzeugmuseum Nürnberg – Ausstellung ‚Notspielzeug‘ 2015

Besuch am Sonntag, 22.11.2015, ca. 1,5 Std. Das Spielzeugmuseum Nürnberg gehört zu den Städtischen Museen Nürnbergs. Die Sonderausstellung ‚Notspielzeug – Die Phantasie der Nachkriegszeit‘ geht bis zum 1.2.2016.

‚Bürgerausstellung‘ nennt sich die Präsentation, da das Gros der Exponate nach einem entsprechenden Aufruf in der Presse von der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurde. Und weil nicht nur Spielsachen ankamen, sondern auch dazugehörige Fotos und v.a. die Erinnerungen an ihre Entstehung bzw. den Umgang mit ihnen. Diese drei Elemente bilden jeweils eine Einheit, ergänzt durch kurze biografische Daten. Das sind schöne, ganz intime Berichte über die Beziehung von Kindern zu ihrem Spielzeug – oder ist es umgekehrt?

Die 'Fetzenpuppe' Foto: Gerd Walther

Die ‚Fetzenpuppe‘
Foto: Gerd Walther

Schön ist, dass sich die Ausstellungs-Gestaltung selbst weitgehend zurück nimmt. Braune Stellwände aus Holz und Pressstoff, darauf gedruckt je ein Großfoto ohne Farbe, dazu in Kinderschrift das dazugehörige Thema, etwa: „Geheimversteck“, „Meine Christel hatte manchmal das Gleiche an wie ich“, „Brummhilde“ oder „Das Gefühl eines großen Schatzes“. Dazu eine Vitrine mit dem ‚Schatz‘, wie er denn von den Kindern wachgeküsst worden war. Bastelware ohne materiellen Wert, wenn man so will. Die Exponate werden nicht zugetextet mit wohlfundierten Beiträgen über die Nachkriegszeit. Das wäre auch sinnlos, geben die Berichte mitsamt dem Spielzeug doch einen viel genaueren und intensiveren Einblick in die Zeit, als es ein wissenschaftlicher Text machen könnte.

So stehen die Spielsachen nicht nur jederzeit im Mittelpunkt, sie werden durch die Bilder und v.a. durch die Berichte lebendig. Eine Ausstellung zum Schauen, zum Lesen, zum Sicherinnern (soweit altersmäßig oder andersweitig möglich). Dadurch bekommt die nicht sehr große Ausstellung eine hohe Intensität, bleibt aber dabei äußerlich unaufdringlich – wie die Nachkriegszeit. Das kriegt man nicht so leicht hin. Man kann eintauchen in die Menschen und ihr Leben, so dass diese Zeit selbst ganz plastisch hervortritt.

Hinterhof-Puppentheater mit Topfpflanze Abfotografiert: Gerd Walther

Hinterhof-Puppentheater mit Topfpflanze
Abfotografiert: Gerd Walther

Da wird etwa zur ‚Fetzenpuppe‘ von der Besitzerin mitgeteilt: „Ich finde die Fetzenpuppe sehr schön, weil sie ganz einfach ist und so fröhlich in die Welt schaut.“ Da steht auf einem Foto zu einem selbstgebauten Hinterhof-Puppentheater eine gottserbärmliche Topfpflanze, über die es heißt: „Ein Blumentopf vor dem Theater gab der Aufführung einen festlichen Anstrich.“ Da ist ein Stecken mit in die Rinde geschnitzten Mustern, die aber kaum von Bedeutung waren, sondern darauf hinweisen sollten, dass man(n) ein Messer besaß. Das galt was. Da wird eine Welt wieder ans Licht geführt, die aus dem öffentlichen Bewusstsein weitgehend verschwunden ist, die nicht einmal einen eigenen Namen hat. Die aber als private Erinnerung an eine doch auch glückliche Kindheit in irgendwelchen Schränken daheim von den Besitzerinnen und Besitzern in Ehren gehalten wird.

So entsteht eine Vergangenheit zwischen Nationalsozialismus mitsamt verlorenem Krieg und beginnendem Wirtschaftswunder, in der die Menschen über das Kindsein hinaus viel Zeit mit- und füreinander hatten. Eine Zeit, in der Abenteuerlust und Phantasie einen relativ großen Raum einnahmen, der noch kaum von versicherungsrechtlichen Einschränkungen oder Jugendämtern – die natürlich alle nur das Beste wollen – behindert war. Wenn sich der Blechritter an seiner Konservendosen-Rüstung geschnitten hat, dann hat er sich’s schon gemerkt. Es war eine Zeit, in der man in nächster Umgebung noch viele Freunde und Kumpels haben konnte, weil es einfach noch viele Kinder gab, die sich deshalb auch relativ selbständig miteinander bewegen konnten. Zum Abendessen seit ihr aber daheim! Was in der Ausstellung höchstens durch Abwesenheit eine Rolle spielt, ist Geld. Wohl auch deshalb lesen sich viele Erinnerungen fast wie Liebesgeschichten. Das macht sie so mitteilsam, nah und interessant.

Werbung