Besuch am Sonntag, 3.7.2022, ca 45 Minuten. Das ‚Museo Mariano Fortuny y Madrazo‘ befindet sich im gleichnamigen gotischen Palazzo, früher nach der Erbauerfamilie ‚Palazzo Pesaro degli Orfei‘ geheißen. Der 1871 in Spanien geborene Künstler und Unternehmer erwarb 1892 den Palazzo, in dem er lebte, arbeitete und 1949 starb. 1956 schenkte ihn die Witwe der Stadt Venedig, die darin 1975 ein Museum eröffnete. Am 12.11.2019 zog ein außergewöhnlich großes Hochwasser den Palazzo schwer im Mitleidenschaft. Nach seiner Schließung zur Behebung der Schäden und wegen Corona öffnete das Museum im März 2022 wieder. Trägerin des Museums ist die Stadt Venedig.

Blick in die Eingangshalle mit den Texten jeweils auf italienisch und englisch.
Foto: Gerd Walther
Der Palazzo hatte früher auf vier großen Etagen, insbesondere im prinzipiell als Fortunys Wohnraum belassenen 1.Obergeschoss jährlich wechselnde fulminante Ausstellungen gezeigt, absolute Highlights in Venedigs Museumslandschaft. Entsprechend den vielfältigen Aktivitäten Fortunys als Grafiker, Bildhauer, Innenarchitekt, Designer, Sammler, Maler, Bühnenbildner und Inhaber einer Textilfabrik gelang es lange Zeit, entsprechend breite Sammlungen ins Haus zu holen. Man kooperierte dabei mit Sammlern wie Axel Vervoordt aus Rotterdam oder Enea Righi aus Bologna, deren Sammlungen sich faktisch über alle Bereiche der Bildenden Kunst, alle Materialien und Künstler aus der ganzen Welt erstreckten. ( Siehe dazu meine Beiträge unter ‚Archiv 3: Ausland‘ zu den Ausstellungen 2015, 2016, 2017.). Das ganze Haus war prall mit Kultur gefüllt, in der sich Kunstwerke von der Frühgeschichte bis in die Gegenwart hervorragend ergänzten. Alles war Geheimnis, alles war spannend, jeder Schritt eröffnete eine neue Welt, eine neue Sichtweise, machte Lust auf mehr. Neben vielen anderen Sitzgelegenheiten luden im 1.Obergeschoss riesige Sofas – etwa das unter dem ebenso riesigen Pferdebild – ein, sich hinzusetzen, zu schauen, zu träumen, zu genießen. Einen ganzen Nachmittag dort zu verbringen, waren ein Vergnügen und eine Leichtigkeit. Diesmal waren es mit Mühe 45 Minuten.
Von der einstigen Pracht ist wenig geblieben, man gibt jetzt lt Museumstext ‚ein Zeugnis des Talents und Genies des spanischen Künstlers und seiner Liebe zu Venedig‘. In der Eingangsebene wird man nach einen wandhohen Foto des Kopfes von Fortuny mit Turban von drei ebenfalls raumhohen Textmonstern mit jeweils ca 80 bzw 160 Zeilen zu Mensch und Haus begrüßt. Ob jemals jemand das alles gelesen hat, vermag ich nicht zu beurteilen, zumal, wie im gesamten Museum, die Texte oker auf rotbraun gedruckt sind. Das vermag allerfalls den Designer zu erfreuen.

Blick ins 1.Obergeschoss, die beiden Fensterfronten an den Schmalseiten waren verhängt, hinten dominierte ein Pferdebild.
Foto: Gerd Walther
Wo früher eine Etage höher der große Saal in geheimnisvolles Dunkel getaucht war, hat man die Fenster freigelegt. Darauf ist man stolz. Wo früher die großen Sofas etc zum Hinsetzen und Genießen einluden, sind diese jetzt mit Kissen trapiert, so dass es keinen einzigen Sitzplatz mehr gibt. Man könnte sagen: wozu auch. Wo früher die Erläuterungen zu faktisch allen einzelnen Exponaten immer etwas entfernt angebracht waren, so dass man zunächst einmal in Ruhe schauen, vergleichen, vertiefen könnte, verzichtet man jetzt völlig auf Hinweise zu den einzelnen Kunstwerken. Die 8 zusammenfassenden längeren Texte sind häufig bildungsbürgerlich mit Namen vollgestopft. Aber irgendeine Relevanz ist schwer nachvollziehbar, es sei denn, man bringt das Wissen schon mit. Da ist etwa neben einem Portrait von Richard Wagner dessen (?) Totenmaske (?) neben einer Gesichtsmaske, die Mussolini (?) darstellen könnte, wohl evtl. Angelo Conte (?) zugehört, wenn man das Portrait Schopenhauers in der Nähe berücksichtigt. Wo früher eine dichte kulturelle Atmosphäre im Haus zu Fortuny führte und diesen lebendig machte, herrscht jetzt ein vordergündig biographischer Ansatz – und der ist auch noch schlecht gemacht. Lt Internet wurde im Oktober 2022 das 2.Obergeschoss wieder für Ausstellungen eröffnet. Es kann eigentlich nur besser werden.