Besuch am Dienstag, 16.2.2016, ca 3 Std. In Dinkelsbühl wurde 1894 erstmals ein Museum in Zusammmenarbeit von Stadt und Historischem Verein Dinkelsbühl gegründet. 2008 eröffnete es mit neuem Konzept im Alten Rathaus, 2012 folgte eine Abteilung Hexen.
Man merkt dem Museum die lange Tradition des Sammelns und Ausstellens in einem Ort an, der seit ca 130 Jahren zunehmend von seiner Vergangenheit lebt. Mit vorzüglichen Exponaten wird die Stadtgeschichte in die deutsche Geschichte eingebettet. Die meist nicht sehr langen Beitexte zeugen von Sachkenntnis und kommen ohne zu Schwafeln auf das Wesentliche. Dabei ist die umfangreiche Ausstellung vom Hochmittelalter bis zum Beginn des 20.Jhs durchgehend abwechslungsreich und kurzweilig gestaltet, die Zeit vergeht sozusagen wie im Flug. Selbstverständlich werden neue museumsdidaktische Medien eingesetzt. Sie treten aber zurück, beschränken sich auf ihre veranschaulichende, dienende Funktion, stehlen den Exponaten nicht die Schau.
Der Besucher bekommt so – bei Bedarf vertieft durch den Audioguide – einen Einblick in den Alltag einer Reichsstadt, etwa beim Feuerschutz, Straf- und Gesundheitswesen, der Sicherheit nach innen und außen, Wirtschaften und Feiern. Und man nutzt die Chance zu vielen Querverweisen auf den lebendigen Ort außerhalb des Museums.
Dinkelsbühl ist bekannt wegen der Ereignisse im Dreißigjährigen Krieg, die in den Veranstaltungen zur ‚Kinderzeche‘ kulminieren. Aber selten hat man ein Museum, in dem dieser Krieg so plastisch und detailreich mit Informationen und Exponaten vor Augen geführt wird. Das beginnt bei der Darstellung, wie man mit (religiösen) Differenzen seit der Reformation in Dinkelsbühl umging. Der verheerende Krieg wird mit seinen Auswirkungen vor Ort drastisch gezeigt, dazu Hinweise auf den allgemeinen Kriegsverlauf, dazu Auszüge aus der 1988 entdeckten Biografie des Landsknecht-Söldners Peter Hagendorf aus der Zeit von 1625 bis 1649. Das ist toll gemacht.
Aber auch der Alltag in der nach 1648 evangelisch-katholischen Stadt wird differenziert und kurzweilig veranschaulicht: Alltagskonflikte um Predigten und Schulen, Prozessionen und Feiertage, die paritätisch besetzte Stadtverwaltung, Starrsinn und Prinzipienreiterei. Die inneren Konflikte verschärften sich nach 1648 durch das Erstarken der fürstlichen Territorialherren in Ansbach und Oettingen nebenan. Mit der alten Freien Reichsstadt ging’s auch wirtschaftlich bergab. Detailreich sind etwa die einzelnen Arbeitsschritte bei der nur noch lokalen Textilproduktion von der Schafschur bis zu den Tuchscherern erklärt.
Aus heutiger Sicht ist man froh darüber, dass die Dinkelsbühler kein Geld hatten, neue Häuser im barocken Zeitstil zu bauen, sondern die alten reparieren mussten. Und dass der Ort nur ganz am Rande spät an das Eisenbahnnetz angeschlossen wurde. Ende des 19. Jhs entdeckten Künstler den ‚mittelalterllichen‘ Ort. Auch am Ende nimmt das Museum auf die inzwischen reduzierte Aufmerksamkeit der Besucher Rücksicht. Bei alten Wochenschau-Filmen, einem großen Stadtmodell und vor allem vielen Gemälden und Grafiken zu Dinkelsbühl seit dem Ausgang des 19.Jhs kann man den Museumsbesuch auf angenehme Art ausklingen lassen. So einen Abschluss kriegen wenige Museen hin.
Jetzt der Wermutstropfen: Welcher Teufel hat denn die Museumsmacher bei der Ausstellung zur Hexenverfolgung geritten? Die vertextete Präsentation ergäbe allenfalls eine schöne Broschüre. Wieso veranschaulicht man den Hexenwahn nicht konkret um die Ereignisse in Dinkelsbühl 1655/56, bei denen 6 Frauen verbrannt, andere verbannt wurden? Die Atmosphäre, Denunziation, Anklage, Folter, Nennung weiterer ‚Hexen‘, Tod.
Insgesamt aber ist das Haus der Geschichte in Dinkelsbühl (wie der Ort) sehr sehenswert.