Konzept des Rundfunkmuseums bis 2013

Ausgangsposition

Das Rundfunkmuseum war ein Museum zur Alltagsgeschichte des 20.Jhs mit zeitlichen Auskragungen nach unten und naturgemäß immer stärker ins 21.Jh. Es thematisierte ein Massenmedium, das im Prinzip jede/r Besucher/in in unterschiedlicher Intensität nutzte/nutzt. Wie das Thema zeitlich ausfranst, so auch inhaltlich in die Bereiche Schall- bzw. Bildaufzeichnung und -wiedergabe. Bezogen auf Geräte sind dies Radio- und Fernsehempfänger, Plattenspieler und Tonbandgerät mit Überschneidungen und Komprimierungen durch neuere und neueste Entwicklungen.

Über ihre Erfahrungen mit diesen Medien, die bei vielen im Alltag sehr prägend waren/sind, werden die Besucher*innen nicht nur Betrachter einer Ausstellung, sondern insbesondere in dem Teil, den sie selbst erlebt haben, auch Teil der Ausstellung. Ein offenes Museumskonzept bedeutet also nicht nur, dass entsprechende Geräte in Ensembles, Inszenierungen, Regalen offen herumstehen, sondern dass die Besucher über ihre Erfahrungen Teil werden, sich in viele Bereiche der Ausstellung integrieren können. Das beginnt mit dem einfachen Aspekt, dass Besucher sich überall hinsetzen können, wo eine Sitzgelegenheit auch in Raumensembles vorhanden ist und sie durch die Betrachtung von Zeitschriften ihre eigene Geschichte reaktivieren können. Auf Podeste und entsprechende gestalterische Elemente wird deshalb weitestgehend verzichtet.

Raumensemble zum 1. öffentlichen Auftritt Max Grundigs als Radiohändler mit Geräten von 1930 (inzwischen abgebaut).
Alle Fotos in diesem Beitrag sind dem letzten Museumsführer vom Februar 2013 entnommen, erschienen in der Museumszeitschrift ‚Rundfunk und Museum‘ 83. Die schlechtere Qualität bitte ich deshalb zu entschuldigen. Die Herkunft der Fotos ist unklar, evtl sind sie zumindest teilweise von mir. Die Texte sind von mir.

Der Rundfunk diente von Anfang an, d.h. seit den 1920er Jahren, als (Massen-)Medium sowohl zur Information als auch zur Unterhaltung. Offiziell wurde die Möglichkeit der Information und (hoch-)kulturellen Erbauung betont. Doch schon die 1.Hörerumfrage zeigte, das Tanzmusik am beliebtesten war. Mit der massenhaften Verbreitung der Schallplatte und vergleichbarer Tonträger vertiefte sich das. Keine Party ohne Plattenspieler o.ä. Daran knüpft auch das Rundfunkmuseum an. Indem es sich für zwanglose, von den Besuchern selbst gestaltete Veranstaltungsformen öffnet, bewegt es sich auf Augenhöhe mit dem Publikum, wird dadurch in seiner Präsentation authentisch.

Über die museumsdidaktischen und -pädagogischen Aspekte hinaus, die den Geräten als Gelenk zwischen dem Museum mit dem historischen Kontext und dem Publikum mit seiner Erfahrung eine zentrale Rolle zuordnen, ist ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen. Es gibt hier deshalb ein Rundfunkmuseum, weil mit dem jahrelangen (Welt-)Marktführer Grundig und mit Metz zwei wichtige Geräteproduzenten in Fürth beheimatet waren. Diese Verbindung wird rein lokal dadurch betont, dass das Rundfunkmuseum seit 2001 in der Alten Direktion der Firma Grundig im Werk 1 an der Kurgartenstraße untergebracht ist.

Zur Präsentation von Rundfunkgeschichte

Bei den 5 Ebenen an der Kurgartenstraße diente die unterste als Basis. Hier wurde die Geschichte bis zur drahtgebundenen und dann zur drahtlosen Übermittlung von Signalen thematisiert. Dazu die Entwicklung von Sendern und deren Studioeinrichtungen. Dabei wurde die Rolle Fürths bei der (Wieder-)Entdeckung der Leitfähigkeit der Erde für Strom durch Steinheil 1838, die der Telegrafie einen wichtigen Anschub gab, mit einem Modell der Ludwigseisenbahn in einem entsprechenden Ensemble gewürdigt.

In den oberen 3 Etagen folgte die Entwicklung der Empfänger für Ton und Bild sowie die Ton- und Bildaufzeichnung. Dabei wurde die Veränderung der jeweiligen technischen Grundlagen ebenso wie die Wandlungen der äußeren Formensprache und des Designs thematisiert. Aber in erster Linie interessieren die Geräte als Mittler von Programm, in dem sich Zeitgeist spiegelte, das diesen aber auch spezifisch formte.

Raumensemble im Weltkriegsraum. Weitere Kleinensembles hier: ‚Englisch inhalieren‘, Lili Marleen, eine Fünf-Zentner-Bombe, eine originale Luftschutztüre. Der dunkle Raum wurde über Bewegungsmelder durch 7-8 Stationen unterschiedlich beschallt und mit Schwarzlicht verfremdet, die Infotafeln konnten mit Taschenlampen (siehe am Bettpfosten) erhellt werden. Unmittelbar nach dem Weltkriegsraum brachte der beliebte Zerrspiegel ‚Hungerjahre‘ die Besucher wieder zum Lachen und öffnete sie so zum weiteren Rundgang.

Dargestellt wurde die Geschichte in ’sprechenden‘ Regalen, also Installationen (nach freier Vorgabe, etwa die Volksempfänger-Installation auf Ebene 2, der Raum zum 2.Weltkrieg in Ebene 3, die ‚Quoten‘-Installation auf Ebene 4) und Raumensembles (nach konkreten Vorgaben von Fotos). Allein auf Ebene 2 lagen neben dem Café im Stil der 1950er Jahre ein Raumensemble der 1920er Jahre, das Ensemble zu Grundigs 1.öffentlicher Ausstellung als Radiohändler 1930, das Weihnachts-Ensemble der 1930er Jahre und der Laden zu Grundigs Radiovertrieb mit Original-Türe. Bei vielen Regalen und Vitrinen wurde mit dem Dexion-Grundregal verändernd auf das Material zurückgegriffen, mit dem in vielen Industriefirmen, so auch bei Grundig, die Produktion aufgebaut war, etwa in Halle A und den Lehrwerkstätten, die sich 50 m entfernt vom heutigen Museum befanden.

Die Ebenen 2 und 3 beinhalteten die chronologische Entwicklung des Rundfunks von etwa 1920 bis in die frühen 1970er. Ebene 4 verdichtete in Regalen/Vitrinen die Tonaufzeichnung auf Platte und Band bzw. die Fernsehgeschichte. Letzteres in dem Raum, in dem die Fernsehforschung bei Grundig in den 1950ern begann. Ein letzter Raum zeigte neben der Fernsehnutzung (‚die Quote‘) die Zeit nach 1970 bis in die Gegenwart, dazu das Autoradio als heute wichtigem Bereich der Radiorezeption. Auf Ebene 5 lagen (neben den Büros) ein Raum für Sonderausstellungen und die Amateurfunk-Station des Museums.

In allen großen Räumen befanden sich Infostationen mit vertiefendem Textmaterial (auf Papier) zu den einzelnen Geräten, zur betreffenden Rundfunk- und zur jeweiligen Zeitgeschichte. Tondokumente (über Kopfhörer/Kleinlautsprecher) kamen hinzu. In fast alle Raumensembles konnte man sich setzen und die ausliegenden zeittypischen Zeitschriften betrachten. Aus den 15 Musikboxen des Museums, von denen jeweils etwa 10 spielbereit waren, konnten zeittypische Schlager gehört werden. Es wurde darauf geachtet, dass bis auf die Musikboxen die Beschallung für andere Besucher dezent war. Nur im Raum zum 2.Weltkrieg erfolgte eine Fremd-/Zwangsbeschallung aus dem Off über Bewegungsmelder. Sessel bzw. Strandkörbe mit Audioinstallationen vermittelten Hörspiele unterschiedlicher Epochen. Vom Publikum zu bedienende Versuchsaufbauten veranschaulichten die Sender-Modulation und den Telefon-Wahlvorgang (Senderraum, Ebene 1), das Hören und die Funktion von Lautsprechern (Ebene 3) und die Bildzerlegung (Fernsehraum, Ebene 4). In kleinen Räumen wurden in Vitrinen technische Details vorgestellt: die Röhrenentwicklung in Ebene 2, die Entwicklung der Bedienelemente und die Einführung von UKW in Ebene 3, Details zur Fernsehentwicklung in Ebene 4. Sonntäglich um 14 Uhr wurde eine offene Führung angeboten. 2008 kamen 4 Audioführungen hinzu (allgemeine Rundfunkgeschichte deutsch und englisch, Kinderführung, Sende(r)geschichte).

Ausstellungsstand nach historischem Vorbild mit Geräten von Metz um 1950 mit Namen ‚Hawaii‘ und ‚Java‘. 1950 ein mutiges Unterfangen inmitten von Trümmern. Links (nicht auf dem Bild) waren die ersten Nachkriegsgeräte von Metz in einem typischen Baugerüst aus Holz der Nachkriegszeit untergebracht.

Das Konzept zur Sicherung von Exponaten

Das Museum hatte sehr wenige Probleme mit Diebstahl und Vandalismus. Weil die Sicherheitslage an der Kurgartenstraße baulich mit 2-3 Ein- bzw. Ausgängen auf 2 Ebenen abseits der Museumskasse unübersichtlich ist und gleichzeitig als alltagsgeschichtliches Museum ein offenes Museum erwünscht war, entwickelten wir ein auf den 1.Blick unkonventionelles Sicherheitskonzept: Wo man sich wohl fühlt, klaut man nicht und macht nichts kaputt. Insgesamt haben die Besucher*innen unseren Umgang auf Augenhöhe respektiert und honoriert. Nicht jeder Mensch mit bürokratischer Grundstruktur kann oder will das begreifen, aber das waren eh‘ äußerst seltene Besucher des Museums (wenn überhaupt).

Natürlich gab es im Rundfunkmuseum auch eine Kameraüberwachung und Aufsichten. Aber das war sekundär. Und natürlich befanden sich wertvolle bzw. kleine Exponate in Vitrinen. Wenn es mit (sehr seltenem) Diebstahl zu Problemen kam, dann meist mit Radiosammlern, die Einstellknöpfe abschraubten oder Röhren aus den Geräten entwendeten.

Das Konzept mit den Vermietungen

Begonnen haben die Vermietungen in Burgfarrnbach mit dem Bayer. Journalistenverband und der Firma Metz. Das Museum hat diese Impulse aufgegriffen, auf Privatpersonen erweitert und im Sinne des Museums gestaltet. Es wurde immer das Museum vermietet, nie ein Raum. Die Vermietungen waren eine spezifische Form des Museumsbesuchs. Auch die Preisgestaltung orientierte sich an den Eintrittspreisen für das Museum.

Regalwand aus Dexion mit Geräten der anfangs vielen Radiofirmen in Deutschland. Vorne 2 der ca 50 Großfotos von Wolfgang Geyer mit Details der ausgestellten Geräte zum genaueren Hinschauen. Gegenüber auf der anderen Seite des Durchgangs befanden sich der Messestand von Metz, das Wohnzimmer-Ensemble der 1950er Jahre mit dem Kuba-Komet und einem bedienbaren Radio mit einer frühen (Kabel-)Fernbedienung sowie das Kofferradio-Ensemble mit Zelt, Motorroller und Kinderwagen (im PKW-Design der Zeit mit Stossstangen).

An Jugendliche wurde bis auf sehr wenige Ausnahmen nicht vermietet. Deshalb ging der über die Presse veröffentlichte Vorwurf von Oberbürgermeister Jung, hier würden „mit Steuergeldern subventionierte Parties“ gefeiert, „die der Museumsleiter Walther anführt“ ins Leere. Daraufhin erhielt der OB u.a. eine damals wenige Wochen alte Absage des Museums an die Schülermitverwaltung des Helene-Lange-Gymnasiums zu deren Anfrage nach Räumlichkeiten für Schülerparties. Er hätte sich auch vorab informieren können, wenn es ihn denn tatsächlich interessiert hätte. Vermietet wurde meist für Feiern zu runden Geburtstagen ab etwa 40 Jahren bis 70/80 Jahre, bisweilen zu Hochzeitsfeiern. Es gab keine Probleme. Frauen sind auf Grund geringeren Alkoholgenusses sowieso nicht Risikobesucher. Und Männer sind ab 40 Jahren weitestgehend domestiziert, v.a. wenn Frauen dabei sind. Man muss Risikopotentiale gezielt und konkret kalkulieren, nicht auf der Basis argwöhnen, wie schlecht (andere) Menschen prinzipiell sein können.

Meist dauerten die Vermietungen 5-6 Std., ein Ende haben wir nicht vorgegeben. Eine Lärmbelästigung war wegen der Lage des Museums kaum möglich. Spätestens um 8 Uhr früh musste das Museum besenrein verlassen sein, gespült hat das Museum, ebenso die ’normale‘ Möblierung des Museumscafés wieder hergestellt. Um 10 Uhr war Öffnung. Falls ein Caterer in Anspruch genommen worden war, musste der bis 10 Uhr seine Utensilien abholen. Es hat diesbezüglich äußerst selten ein Problem gegeben, ein unlösbares nie.

Der Ablauf gestaltete sich meist so: Nach der Begrüßung der Gäste untereinander wurde gegessen, dann folgte geselliges Beisammensein mit oder ohne Musik. Etwa 40% der Vermietungen buchten eine Führung, in aller Regel nach der Begrüßung, so dass zwischenzeitlich das Essen aufgebaut werden konnte. Aber die Führungen waren nicht der Kern unseres Interesses. Der Vorteil der Veranstaltungen im Museum lag darin, dass die Besucher*innen sich im Laufe des Abends ‚die Beine vertreten konnten‘ ohne das Haus zu verlassen. Man saß nicht fest, wie das in Gaststätten häufig der Fall ist. Ein großer Teil der Besucher hat dies auch (meist alleine oder zu zweit) genutzt, sah dabei Geräte aus der eigenen Lebensgeschichte im entsprechenden Umfeld. Wieder zurück, bot sich ein Gesprächsthema an, häufig verbunden mit eigenen ‚Radio-Erlebnissen‘. Die Besucher wurden so vom Betrachter zum Bestandteil der Ausstellung.

Rauminstallation zur ‚Quote‘. Auf den 22 Fernsehgeräten liefen alle damals analog empfangbaren TV-Sender parallel (inzwischen abgebaut).

Verbunden mit der Feier wurde so der Museumsbesuch positiv verankert, zumal ein guter Teil der Gäste nicht unbedingt typische Museumsbesucher war. Wir haben dadurch neue Besuchergruppen erschlossen. Aus Erzählungen wissen wir, dass viele nochmals kamen, um sich einmal alles ‚in Ruhe‘ anzuschauen oder wenn sie Gäste hatten. So zog jede Feier ohne großen Werbeaufwand 1-2 neue Feiern nach sich. Zuletzt hatten wir im Jahr etwa 100 entsprechende Veranstaltungen mit ca 5-6000 Besuchern.

Hinzu kamen die ’normalen‘ Museumsbesucher und Gruppen. Die Kindergeburtstage entwickelten sich an der Kurgartenstraße insbesondere mit den Hörspielen ebenfalls zum sehr populären Selbstläufer, denn jedes Kind bekam nach wenigen Tagen eine CD mit dem produzierten Hörspiel, von uns nachbearbeitet und hübsch gestaltet. (In Burgfarrnbach war der Schlosspark hilfreich, diese populäre Veranstaltungsreihe aufzubauen.) Schulklassen mussten wir am Schluss häufig absagen bzw. umterminieren, da oft Hörspielproduktionen gewünscht wurden. Das ermöglichte nur den Besuch einer Klasse pro Vormittag. Der Besuch war aber bedeutend intensiver, die Einnahmen des Museums lagen höher. Die Klassen wurden geteilt, da Hörspielproduktionen mit mehr als 15 Kindern schwierig sind. Die Hälfte machte Hörspiel, die andere besuchte die Ausstellung. Nach einer Pause wurde gewechselt.

Das Ergebnis war eine kontinuierliche Steigerung der Besucherzahlen um jährlich 500-1000. 2013 wären 20.000 Besucher erreicht worden. (Das Museum hat ein Potential von 35.000 Besuchern bei anderer Personalausstattung). Insgesamt hatte das Rundfunkmuseum fast so viele Besucher wie Stadtmuseum, Jüdisches Museum und Städtische Galerie zusammen. Und das, obwohl es im gesamten Stadtgebiet seitens der Stadt (ab 2006 bei Pillenstein) nur einen einzigen Hinweis auf das Museum gab.

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