Auswanderermuseum BallinStadt

Besuch am Samstag, 24.8.2019, ca 2 Std. Das Auswanderermuseum in Hamburg-Veddel wurde 2007 in drei noch stehenden Auswandererhallen von 1901 eröffnet und 2016 umgebaut. Träger des von der ‚Betriebsgesellschaft BallinStadt mbH‘ geführten Museums ist in Zusammenarbeit mit der ‚Stiftung Hamburg Maritim‘ das städtische ‚Museum der Arbeit‘.

Die noch vorhandenen Hallen des Museums (grün) stehen heute im freien Feld
Foto: Gerd Walther

Es ist immer von Vorteil für die Authentizität eines Museums, wenn es am historischen Ort, hier in noch vorhandenen Hallen das Ballinstadt, eingerichtet wird. Etwa 5,6 Mio Menschen v.a. aus Deutschland und Osteuropa sind zwischen 1850 und 1938 über Hamburg meist nach Amerika ausgewandert. Wenn auch oft politische und religiöse Verfolgungen eine Rolle spielten, würde man insbesondere Auswanderer aus deutschen Gebieten heute eher abschätzig als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen. Als ob es abträglich ist, dass man für sich und seine Kinder genug zu essen und eine erträgliche, womöglich selbst gestaltete Zukunft haben will.

Diese Auswanderung ist in ihrer Hochzeit eng verbunden mit der Person von Albert Ballin, einem dänischstämmigen Juden aus Hamburg, wobei damals Dänemark bis kurz vor Hamburg ging. 1857 am Hamburger Hafen geboren, führte er in den 1870ern die väterliche Auswandereragentur ‚Morris & Co‘ zum Erfolg. Der große Konkurrent HAPAG (Hamburg-Amerikanische-Packetfahrt-AG) übernahm die Firma und machte Ballin 1886 zum Leiter der Passageabteilung. 1888 wurde er Direktor, 1899 Generaldirektor. Ab 1901 wurde die Ballinstadt zur besseren Strukturierung des Auswanderergeschäfts errichtet. In Schiffe für Kreuzfahrten, die die HAPAG ab 1891 für Vermögende anbot, baute man Zwischendecks für die Auswanderer ein.

Halle 1 zeigt die Geschichte der Auswanderung aus Hamburg, insbesondere die Bedeutung der Ballinstadt in all ihrer Teilen, den Schlafsälen für Männer und Frauen, den Esssälen und Küchen für Juden und Nichtjuden, der katholischen und evangelischen Kirche sowie der Synagoge, Gebäuden zum Empfang, zur Desinfektion und Reinigung, Verwaltung, Lazarett, Gepäcksaal, Polizei, Musikpavillon, Ställe, ein Laden, Barbiere, zwei Hotels für Bessergestellte etc. etc. Mehrere tausend Auswanderer konnte man aufnehmen, verpflegen und ‚transportfertig‘ machen, bzw. im Krankheitsfall zurückschicken. Da die USA keine kranken Einwanderer aufnahm, hätte die HAPAG für den Rücktransport aufkommen müssen. Sicher entsprach nicht alles den Versprechungen der Werbung, aber man war besser als die Konkurrenz. Das brachte Auswanderer, sprich Kunden, denn es war ja ein Geschäft, keine karitative Einrichtung. Das wird sehr abwechslungsreich mit meist nicht überlangen Texten und modernen Museumsmedien dargestellt, ohne dass diese die Ausstellung dominieren. 1914 verfügte die HAPAG über 175 Schiffe und 20.000 Beschäftigte. Den 1.Weltkrieg, der sein Lebenswerk zerstörte, konnte Ballin nicht verhindern. Am 9.11.1918 starb er, vermutlich durch Selbstmord.

Europäische Völker und ihre Eigenschaften, Grafik 18. Jh.
Foto: Gerd Walther

Das 2. Haus wendet sich zunächst der Geschichte der Auswanderung allgemein seit dem 16.Jh. bis heute zu. Sehr interessant sind hier in Ergänzung allgemeiner Texte und von Statistiken die vielen Berichte und Briefe, die Einblicke in Einzelschicksale gewähren. Die Präsentation ist entsprechend unruhiger, sentenzhaft, aber nichtsdestotrotz sehr anschaulich und informativ. Die Überfahrt wird dokumentiert mit einem Schiffsrumpf, der zwar raumbeherrschend ist, aus dem man aber erstaunlich wenig macht. Wieso unterlegt man nicht zumindest akustisch etwa mit Stimmengewirr diese zentrale Station. Am Rand beeindruckt das Verbot zum Betreten des Oberdecks. Der Auswanderer als Stückgut, gleich darüber die Upperclass. Wie im 1. Haus Hamburg eine zentrale Rolle spielt, ist es nun New York. Man hielt sich zunächst häufig unter sich auf, zaghaft, in Kleindeutschland, Little Italy, Chinatown, der Lower East Side für die Juden oder den Five Points bei den Iren. Auch den mitunter harten Weg der Integration (oder deren Scheitern) beschreibt das Museum anschaulich, sowie Veränderungen nach 1945.

Das 3. Haus bringt im Eingangsbereich noch einmal Biographien von Auswanderern aus verschiedenen Zeiten, mit unterschiedlichen Motiven. Nicht alle sind ‚gut angekommen‘. Ein Bereich für Sonderausstellungen und die Museumsgastronomie mit Tischen und Bänken nach historischem Vorbild schließen das sehr interessante, meist gut gemachte, historisch informative und zugleich hochaktuelle Museum ab.

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