Besuch am Dienstag, 5.4.2022, ca 2,5 Std. Das 1824 gegründete Museum, das älteste Kölns, geht auf die Sammlung des Kölner Universitätsrektors Franz Wallraf zurück. 1827 erstmals öffentlich gezeigt, erhielt sie erst durch eine großzügige Spende des Kaufmanns Richartz ein eigenes Gebäude, das 1861 eröffnet wurde. Nach mehreren Umzügen, der fast völligen Zerstörung im 2.Weltkrieg, nach Fusionen und Trennungen, u.a. von dem ebenfalls sehr sehenswerten ‚Museum Ludwig‘ mit Kunst des 20. und 21.Jhs am Dom, ist es heute in einem Neubau von 2001 in Rathausnähe untergebracht. Nach Hinzuführung einer weiteren Sammlung von Impressionisten, deren Präsentation aber nicht so recht vorankommt, heißt das Museum heute “Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud‘ und nennt sich ‚Wallraf, das Museum‘. Trägerin ist die Stadt Köln.

Blick in die Ausstellung zur Kunst im 19.Jh
Foto: Gerd Walther
Das Wallraf-Richartz-Museum ist ein klassisches Kunstmuseum auf 3 Etagen und 3500 qm Fläche mit dem Schwerpunkt Malerei neben einigen Skulpturen und einer Grafik-Sammlung. Das 1.Obergeschoss ist der umfangreichen Kunst des Mittelalters mit Kölner Schwerpunkt gewidmet. Dieser Grundstock des Museums entstand aus Wallrafs Erwerbungen in Zeiten der Säkularisation der Klöster. Die Kunst des Barock ist im 2.Obergeschoss ausgestellt, während im Untergeschoss die Kunst des 19. und frühen 20. Jhs beheimatet ist. Wer über eine so lange Tradition des Sammelns und Ausstellens verfügt, kann auch auf viele entsprechend sehr hochwertige Kunstwerke vieler Berühmtheiten aus den jeweiligen Epochen zurückgreifen.
Natürlich macht es angesichts dieses Sachverhalts nur begrenzt Sinn, das ganze Museum an nur einem Tag zu besuchen, wie ich es getan habe. Aber sofern man nicht in Köln und Umgebung wohnt, wird das wohl die übliche Art des Besuchs sein. Mit seiner übersichtlichen Aufteilung in einzelne Etagen fällt eine Strukturierung des Besuchs leicht. Größere und oft auch längere Texte behandeln jeweils ein oft in einem Raum konzentriertes Themengebiet. Die einzelnen Exponate werden zudem durch nicht sehr lange, fundierte Texte näher gebracht, etwa indem bei Bildern aus dem Barock häufig der allegorische Hintergund erläutert wird. Das ist gut gemacht, und wer sich kunsthistorisch informieren und die Exponate entsprechend (ein)ordnen will, ist damit gut bedient.

Blick in die Ausstellung zur Kunst im Mittelalter
Foto: Gerd Walther
Aber dies ist eine intellektuelle, kopfgesteuerte Annäherung an Kunst. Zum Mitreden reicht diese Einordnung in Schubladen allemal, zu viel mehr aber wohl nicht. Nun hat das Museum – und man wünscht es sich noch viel häufiger – bei fast 30 Gemälden Kommentare von Kindern dazu gegeben. Dabei entstehen völlig neue Impulse zur Betrachtung der Bilder, raus aus dem kunsthistorischen Kontext hin zur Frage: was macht das Bild mit mir? Und das kann dazu beitragen, dass man die Bilder neu, anders, persönlicher betrachtet. So meint etwa der 9-jährige Jusuf zu Claude Monets ‚Frühlingsstimmung bei Vétheuil‘ aus dem Jahr 1880: „Ich mag das Bild, weil die Bäume so ruhig und friedlich ausehen…Ich glaube, wenn ich unter diesem schönen Baum im Gras liegen würde, hätte ich keine Angst mehr.“ Die gleichaltrige Frida sagt zu ‚Die Anbetung der Hirten‘ von Gerrit van Honthorst‘ von 1622 voll Selbstbewusstsein: „Ich sehe in dem Bild das Glück meiner Eltern. Als meine drei Geschwister auf der Welt waren, dachten sie, dass sie kein Kind mehr bekommen würden. Aber dann haben sie noch mich dazu bekommen und waren sehr glücklich“. Und zu Arnold Böcklins ‚Überfall von Seeräubern‘ von 1886 meint Erkut, ebenfalls 9 Jahre alt: „Ich liebe Seeschlachten und finde Seefahrer interessant! Das Bild hat mit Geheimnissen und Schätzen zu tun. Aufregend, wenn Handelsschiffe sinken! Wenn ich im Bild mittendrin wäre, würde ich auf der Brücke stehen. Von da aus kann man alles beobachten und den Leuten helfen, wenn sie sich verletzt haben.“
Dieser Blick ist es wohl, der den meisten Besuchern fehlt – der aber auch durch die übliche kunsthistorisch orientierte museale Präsentation nicht gefördert wird. Das Museum sollte diesen persönlichen Betrachtungsansatz vertiefen. Das würde den Besuch zu den sehr vielen sehr hochwertigen Kunstwerken sehr bekannter Künstler noch lohnenswerter machen.