Besuch am Freitag, 8.4.2022, ca 2,5 Std. und auch vor ca 10 Jahren schon einmal mit demselben Eindruck. Das ‚Schokoladenmuseum Köln‘ wurde 1993 auf Initiative von Hans Imhoff, dem langjährigen Chef der Kölner Schokoladenfabrik Stollwerck, gegründet und hat jetzt 4000 qm Ausstellungsfläche. Träger des lt Eigenwerbung bestbesuchten Kölner Museums ist die private ‚Schokoladenmuseum Köln GmbH‘ mit den Partnern Lindt & Sprüngli im Bereich der Produktionsausstellung (und wohl darüber hinaus).
Man betritt das in schöner Lage am alten Rheinhafen gelegene Museum zunächst in einem Bereich zur Entdeckung der Kakaopflanze durch Forscher wie Linné und Alexander von Humboldt. Ein hübsches kleines Tropenhaus mit entsprechenden Pflanzen gehört dazu. Es folgen Infos über Kakaoarten, deren Anbau, den Transport und die wirtschaftliche Bedeutung von Kakao in den Anbaugebieten v.a. Mittelamerikas sowie den Verarbeitungsgebieten in Europa. Nach einem ausführlichen Blick auf die Zutaten schließt sich eine gläserne Schokoladenfabrik an, in der man in 8 Abteilungen detailgenau die Herstellung von Schokolade vom Rösten der Kakaobohnen bis zum Eintäfeln nachvollziehen kann. Am Ende steht neben Maschinen, Meilensteine in der Produktionsgeschichte, ein Schokoladenbrunnen.

Blick in die ‚Gläserne Schokoladenfabrik‘
Foto: Gerd Walther
Eine Etage höher gelangt man zunächst in eine Schokoladenmanufaktur, in der auch alte Hohlformen ausgestellt sind. Ein Gang durch die Kulturgeschichte der Schokolade folgt, beginnend in Mexiko mit der Niederlage der Mayas durch die Spanier bis zum Einzug des neuen Getränks in die europäischen Fürstenhöfe. Dazu gehören Exponate aus dem Umfeld der Mayas wie auch altes Porzellan aus frühen Schokoladenstuben in Europa. Sehr schön ist die Einrichtung eines Ladens mit alter Reklame, Dosen, Schokoladen-Automaten bis hin zur tönenden Schokolade, kleinen Schallplatten aus Schokolade für Grammophone um 1900. Zweifellos brachte man sehr geschickt und kreativ die Schokolade unter’s Volk, wobei das Museum auch durchaus kritisch auf Asymmetrien im Herstellungsprozess und inzwischen fragwürdige Vermarkungsstrategien blickt. Der Sarotti-Mohr läßt als ‚Magier der Sinne‘ grüßen. Berühmte Pioniere und Firmen werden kurz vorgestellt, Lindt, Suchard, Stollwerck, um dann auf die Bedeutung der Schokolade im 20.Jh und die Firma Stollwerck auch im ‚Dritten Reich‘ zu kommen.
Noch eine Etage höher folgt ein Blick auf die Herausbildung von Kultmarken und -produkten der Gegenwart wie Kaba, Smarties, Überraschungseier, Mars, Nutella, Ritter Sport oder die Milka-Kuh. Jeder kennt sie, (fast) jeder dürfte eine positive Einstellung zur Schokolade haben, ob man sich nun aus Gewichtsgründen zurückhält oder nicht. Eine entsprechende Werbung hilft dabei, egal, ob es sich um die ‚zarteste Versuchung‘, ’süße Begeisterung‘ oder ’süße Verführung‘ handelt. Eigentlich sind wir in einem Museum mit deutlich erotischer Grundstimmung, denn Schokoladeessen wird als Lust verkauft. Und doch ist das Museum im Grunde brettlhart. Die Texte sind v.a. am Anfang oft sehr lang und detailreich wie in einer Broschüre. Genaue Information mag zu den Kernaufgaben eines Museums gehören. Aber bald werden die Texte nicht mehr gelesen, sind die häufig jungen Besucher*innen geplättet, gehen nur noch durch, ohne die interessanten Exponate etwa der 2. Etage eines Blickes zu würdigen – bis man evtl. ganz oben (falls man überhaupt so weit kommt) auf die eigene Lieblings-Schokolade stößt.

Die Einrichtung einer alten Drogerie mit entsprechender Werbung und Dosen für Schokolade und Pralinen.
Foto: Gerd Walther
Wo das didaktische Museumskonzept reduzierend eingreifen müsste, hält man mit einem Großaufgebot an modernen museumsdidaktischen Einrichtungen dagegen. Man kann Videos anschauen, Hörstationen nutzen, hier und dort etwas bewegen, interaktiv mitmachen, die meist hochinteressanten Exponate haben es da nicht leicht. Ein bisschen ist die Gestaltung des Museums wie aus dem Kochbuch: Man nehme soundsoviel Bildung, dazu eine kräftige Prise Geschichte, etwas Technik, Ökonomie, Exotik und Botanik – und alle Zutaten werden nach modernstem Verfahren zusammengemixt. Vielleicht liege ich ja auch falsch, aber weniger wäre meiner Meinung nach mehr. Wer’s nicht glaubt, kann’s selbst ausprobieren, ein Besuch lohnt sich trotz meiner Einwändungen. Hängen bleiben wohl die kleinen Schokolade-Täfelchen, die man zu Beginn und am Ende des Besuchs erhält. Das ist schade, auch wenn’s schmeckt.