Stadtmuseum Lissabon

Besuch am Dienstag, 19.4.2016, ca. 2,5 Std. Das Museu de Lisboa ist auf 5 Häuser im Stadtgebiet verteilt, im Palacio do Pimente (Pfefferpalast) wird ein Überblick geboten. Das 1909 gegründete Stadtmuseum ist seit 1979 im Palacio do Pimente weit außerhalb des Stadtzentrums untergebracht, einem hübschen, nicht übermäßig großen Sommerpalast mit Park aus dem frühen 18.Jh.. Seit 1979 hat sich die Umgebung allerdings stark verändert: 1993 entstand die U-Bahn-Station Campo Grande, wohl im Gefolge ein riesiger Busbahnhof, eine Ringstraße, Hochhausneubauten, 2003 der Neubau des Stadions von Sporting Lissabon (das von Benfica ist nicht weit weg). Zum Museum muss man zunächst eine vierspurige Straße überqueren, dann unter einer Autobahnunterführung durchgehen, dann nochmals über eine vierspurige Straße, die Gegenrichtung. Dann steht man vor dem Museum, das in der Einflugschneise des nahen Flughafens liegt. So etwas sollte man einem (Stadt-) Museum nicht antun.

Blick auf das Stadtmuseum im Palacio do Pimente Foto: Gerd Walther

Blick auf das Stadtmuseum im Palacio do Pimente
Foto: Gerd Walther

Hinter dem Haupthaus beginnt in einem Seitengebäude die Ausstellung mit Exponaten aus der Vor- und Frühgeschichte Lissabons. Sehenswert ist ein großes Stadtmodell, das Lissabon vor dem Erdbeben 1755 zeigt, einem zentralen Datum der Stadtgeschichte. Das ist schön gemacht und wird durch eine interaktive Medienstation vertieft. Schön auch – wie im gesamten Museum – die Fliesen an den Wänden, teils mit Abbildungen von Gebäuden, teils mit Alltagsszenen. Die große alte Küche nebenan ist zwar hübsch anzuschauen, vermitttelt aber nicht den Eindruck, dass darin schon jemals gekocht wurde.

Der Hauptteil der Ausstellung befindet sich in 10 Räumen im 1. Stock des Hauptgebäudes. Allerdings wurde renoviert, nicht alles war zugänglich. Vielleicht auch deshalb endet die Ausstellung 1909 mit dem Sturz der Monarchie. Nach Fayencen aus den königlichen Werkstätten, Möbeln und einem Raum zur Wasserversorgung kommt man zum Erdbeben von 1755. Das durch Kolonien reiche Portugal zog viele Künstler aus ganz Europa an, so dass man eine große Auswahl an Bildern hat. Aber man macht wenig daraus, geht nicht in die Bilder hinein, bringt sie nicht zum Sprechen, hängt sie mehr raumfüllend auf als Geschichte veranschaulichend. Am meisten helfen da die englischen und deutschen Texte auf den alten Flugschriften und Grafiken – so 1756 von Caspar Prauntz aus Augsburg.

Allerheiligen, 1.11.1755: Ein heftiges Erdbeben zerstörte Lissabon weitgehend, damals eine der reichsten Städte Europas. Viele Häuser stürzten ein, überall brach Feuer aus, die Überlebenden flüchteten ans Meer, wo sie kurz darauf in einer 15 m hohen Flutwelle ertranken. Ca. 80.000 Menschen sollen umgekommen sein, etwa 85 % Lissabons wurden zerstört. Wer überlebt hatte, wurde oft das Opfer der folgenden Welle von Gewalt und Mord. Und: wie kann ein allmächtiger und gnädiger Gott so ein Unglück zulassen?

Auch die Folgen werden zwar wieder dargestellt, aber kaum erläutert. Einer starken klerikalen Gruppe im Hochadel galt das Erdbeben als Strafe Gottes für Reformen im Sinne des aufgeklärten Absolutismus durch Kg José I. (Kg von 1750 – 1777) und den mächtigen (späteren) Marques de Pombal. Der ließ Lissabon mit weitgehend schachbrettartigem Grundriss neu aufbauen. Teile des alten Adels, ausgeschaltet durch die absolutistischen Bestrebungen, revoltierten und unternahmen 1758 ein (erfolgloses) Attentat auf Kg José. Sie wurden verhaftet und öffentlich gerädert, gevierteilt, zu Tode gefoltert, verbrannt, der Jesuitenorden 1759 verboten. Naturkatastrophen sind eben selten nur Naturkatastrophen.

Grafik zur Hinrichtung der Attentäter auf König José I. Foto: Gerd Walther

Grafik zur Hinrichtung der Attentäter auf Kg José I.
Foto: Gerd Walther

Ich will nicht ungerecht sein. Offenbar beginnt man, einzelne Bilder für den Besucher aufzuschlüsseln. Hoffentlich kommt diesmal mehr dabei heraus als vor ca 15 Jahren: viel klein gedruckter portugiesischer Text auf Schildern in Kniehöhe mit inzwischen verblassten Farben. Auch wenige Videoinstallationen sind vorhanden, sie funktionieren aber nicht immer. Vielleicht sollte man sich Künstler wie Caspar Prauntz zum Vorbild nehmen.

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