Löhe-Zeit-Museum

Besuch am Sonntag, 23.4.2017, knapp 2 Std. Das Löhe-Zeit-Museum, das an Sonn- und Feiertagen von 14 – 17 Uhr geöffnet hat, befindet sich im kleinen Bahnhof von Neuendettelsau in der Wohnung des ehemaligen Bahnhofsvorstehers in 6 Zimmerchen. Träger des seit 1998 bestehenden Museums ist der ‚Heimat- und Geschichtsverein Neuendettelsau‘. Wenn man wie ich mit der Bahn kommt, dem Löhe-Express, hat man zwei Stunden Zeit bis zum nächsten Zug. Da erschrickt man zunächst: so viel Zeit für so wenig Museum? Tatsächlich waren viele Besucher in etwa 20 Min. durch.

Arbeitsgerät eines Missionars?
Foto: Gerd Walther

Vier Räume beleuchten die Löhe-Zeit um 1850 in und um Neuendettelsau, dazu Wilhelm Löhe, den Ortspfarrer und Begründer der Neuendettelsauer Diakonie, seine Mission in Nordamerika. Eine Sonderausstellung zeigt bis zum 27.8.2017 „Neuendettelsau und der Nationalsozialismus 1925 – 1945“ in zwei Räumen. Man darf schon aus Platzgründen keine umfassende Behandlung der Themen erwarten, vieles wird auch nicht erwähnt. Moderne museumsdidaktische Medien gibt es – fast möchte man sagen Gott-sei-Dank – nicht. Neben Exponaten dominieren Fotos, die durch knappe informative Texte erläutert werden. Das gibt der Ausstellung eine ganz eigene Authentizität. Man muss sich Zeit nehmen und genau hinschauen. Insofern fordert das Museum den Besucher. Die sehr solide, eindringliche Präsentation geht an Einzelstücken und Fotos in die Tiefe. Sie beleuchtet gerade dadurch die Zeit in ihren charakteristischen Ausformungen.

Da ist das Bauernzimmer(chen) mit Bett, Schrank und Patendanksprüchen, in denen der Pate mit ‚Sie‘ angeredet wird. Da liegt die ärmliche Knechtskammer direkt unter dem unverputzten Dach. Da sind die Dorfhandwerker, denn unter den 47 Bauern (die Angaben sind hier nicht einheitlich) im Jahr 1835 gab es nur 4 Vollbauern, die auch von der Landwirtschaft leben konnten. Für 12 Halbbauern reichte es (bei guter Ernte) mit Zusatzarbeiten knapp. Bei den 31 Gütlern zeigt eine Schubkarre zum Transport u.a. von Raingras von den Feldrainen der reichen Bauern, das man gegen Arbeit bekam, Armut. Das war ein Leben am Rande und oft genug unter dem Existenzminimum. Massenarmut, Landflucht und Auswanderung waren die Folge, heiraten durfte man auch nicht, arme Kinder gab’s genug. Der Dorfpfarrer Wilhelm Löhe – heute würde man wohl sagen, ein religiöser Fundi – gab armen Mädchen als Diakonissen eine Erwerbschance, engagierte sich mit der Gründung einer ‚Blödenanstalt‘ für Behinderte, missionierte im In- und Ausland.

Kein Scherz
Abfotografiert: Gerd Walther

Insofern war die karge Welt in Ordnung, bis 1918 die Monarchie beseitigt wurde und damit auch ein Landeskirchentum, in dem der Monarch zugleich oberster Kirchenherr war. Letztlich geht das auf Martin Luther zurück, und auch Gott selbst ist ja, falls es ihn gibt, kein Demokrat. In Neuendettelsau erreichten die Gegner der Republik bei Wahlen immer an die 90 %, zunächst v.a. die DNVP, ab 1932 die NSDAP. Freudig veröffentlicht 1933 der Neu-Guinea-Missionar Dr. Keyßer zu Hitlers Geburtstag ein ‚Hitler-Gedicht‘: „Es ist ein Führer uns von Gott gegeben“. Ein Landwirt und langjähriger Ortsführer des Frontkämpferbunds ‚Stahlhelm‘ wird aus dem Gemeinderat ausgeschlossen, weil er bei einem Juden ein Pferd gekauft hat, den ‚Judengaul‘. 1935 kommt ein Landwirt 3 Monate ins KZ, weil er nichts für’s Winterhilfswerk geben will. Immer verbunden mit öffentlicher Demütigung und Ächtung. Eine Frau schreibt 1935 ins Erinnerungsbuch zum Arbeitsdienst in Neuendettelsau: „Deutschland muß leben, wenn wir auch alle sterben müssen.“ Dem anfänglichen Jubel gerade auch aus Kreisen der Diakonie folgt allmählich eine Ernüchterung, trotz Zugehörigkeit zu den ‚Deutschen Christen‘. Andere bleiben bis 1945 (und danach?) stramme Nazis. Auch dann noch, als bei der sog. ‚Euthanasie-Aktion‘ (T4) von den etwa 1700 Behinderten v.a. im Heim in Bruckberg mindestens 804 ermordet werden, als bis 1943 die Schulen der Diakonie geschlossen werden.

Das wird alles ganz einfach und sehr sensibel gezeigt. Man muss die Exponate genau an- und in die Fotos hineinschauen, um zu verstehen, welche Geschichte sie erzählen. Das braucht seine Zeit, aber es lohnt sich. Ein kleines Museum kann auch eine Chance sein.

Das war auch ein Beitrag zur Blogparade #perlenfischen des Infopoint Museen & Schlösser in Bayern, auf den ich gerne empfehlend hinweise.

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