Besuch am Sonntag, 3.3.2019, ca 1,5 Std. Das Heimatmuseum ist seit 1994 im sog. Gotteshauslehen, einem bäuerlichen Anwesen gleich neben der alten Kirche untergebracht. Dazu gehören eine große und eine kleine Scheune, ein Zwischenbau, das Wohnhaus und ein hierher transferiertes Backhaus. Im Außenbereich ist ein mittelalterlicher Klostergarten hübsch angelegt. Gleich um die Ecke steht ein altes Brunnenhaus. Nicht zu vergessen der schöne alte Ortsbereich, der auf eine karolingische Gründung in der Mitte des 8.Jhs zurückgeht und im frühen Mittelalter ein bedeutendes Siedlungszentrum im mittelfränkischen Raum war. ‚Urbs (= Stadt) horsadal‘ hieß er in der 1.urkundlichen Erwähnung 954 anläßlich einer Belagerung und Schlacht. Durch einen erläuterten Rundgang ist der Altort anschaulich erschlossen. Träger des Museums ist der Markt Roßtal in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein.

Blick in den Museumshof mit dem Klostergarten (vorne), dem spätmittelalterlichen Pfarrhaus (im Hintergrund) und dem Kirchturm (links oben).
Foto: Gerd Walther
Man betritt das Museum im Zwischenbau. Rechts vom Eingang liegt ein Bereich für Sonderausstellungen, bis Anfang März war’s eine informative Schau zur Lederbearbeitung. Links in der großen Scheune beginnt die Dauerausstellung. Im Keller soll es noch eine Abteilung zur Frühgeschichte Roßtals geben, aber entweder war diese geschlossen oder ich habe den Zugang übersehen. Im Erdgeschoss sind eine Küche, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer mit (Einrichtungs-) Gegenständen aus den 1920er – 1950er Jahren aufgebaut. Zweifellos befinden sich sehr schöne Exponate darunter. Aber man konnte hier wie im gesamten Museum nicht der Versuchung widerstehen, möglichst viel auszustellen. Eine Ausstellung gewinnt nicht unbedingt dadurch, dass man gleich 8 Küchenuhren (oder eine Etage höher 15 Gugelhupfformen) aufhängt. Zudem wird anderes, etwa die selten zu sehenden, früher üblichen Hemdkragen, Vorhemden und Manschetten dadurch tendenziell in den Hintergrund gedrängt.
Das wird verstärkt, indem man auf Beschreibungen der Exponate und zusammenfassende Texte fast gänzlich verzichtet. Man stellt eher Masse aus, statt einzelne Exponate – und das Museum besitzt sehr schöne – erläuternd hervorzuheben und damit zugleich die Zeit und den Ort zu beschreiben. So bleibt Roßtal im Heimatmuseum erstaunlich diffus. Man zeigt ‚altes Zeugs‘, das wohl irgendwie mit dem Ort und seinen Bewohnern zusammenhängt. Ausnahmen bilden einige schöne Fotografien, die man sich aber auch selbst erschließen muss. Die Erläuterungen sollen wohl die anwesenden Mitglieder des Heimatvereins übernehmen. Das ist insofern nicht unproblematisch, da man als Besucher eher befürchtet, selbst bei einer schlichten Frage werde einem gleich das Ohr abgekaut und man wird sie nicht wieder los. Das war zwar hier nicht der Fall, aber so ganz historisch sattelfest schienen mir die Leute – bei allem lobenswerten Engagement – auch nicht.
Im Obergeschoss werden einzelne dörfliche, häufig neben einer Landwirtschaft ausgeübten Handwerke wie Bäcker, Schuster, Weber, Sattler vorgestellt sowie Exponate zur Bekleidung im Alltags- wie Festtagsleben. Im anschließenden Gang im Obergeschoß des Zwischenbaus sind viele Kinderspielsachen (man muss sagen) angehäuft statt anschaulich präsentiert. Nehmen wir etwa das Exponat ‚Kinematograph u. Laterna magica‘ als Beispiel für den Einzug neuer Medien. Irgendwann ist doch auch in Roßtal das Kino angekommen, evtl. zunächst ab und zu im Saal einer Gastwirtschaft, in den 1950ern gab’s vielleicht ein richtiges Kino, das wohl wieder verschwand, aber für eine gewisse Zeit prägend war. Die Exponate gewinnen doch dann Leben, wenn sie in ihrer historischen Dimension einen Blick auf die Ortsgeschichte ermöglichen und nicht einfach hingestellt werden.
Schön das Obergeschoß des alten Wohnhauses mit einer alten Küche, der kleinen Wohnstube und einer Schlafkammer. Aber war’s die Austragsstube der alten Bauern, ein Gesindebereich, die Wohnung der Bauern? Auch das Anwesen selbst bleibt mit der Funktion der einzelnen Gebäude fremd. So hat man ein schönes Anwesen mit vielen interessanten Exponaten – ich zähle auch den gut erläuterten Klostergarten neben dem Haus dazu, den man am besten im Sommer besucht. Aber die Geschichte des Ortes und seiner Bewohner erschließen sie erstaunlich wenig.