Besuch am Mittwoch, 8.6.2016, ca 3 Std. Im Ca‘ Rezzonico befindet sich das Museum ‚Venedig im 18. Jahrhundert‘. Der Palast der reichen, häufig neureich genannten Familie Rezzonico wurde zwischen 1667 und 1756 nach den Plänen von Baldassare Longhena am Canal Grande errichtet. 1751 erwarb die Familie das Gebäude, 1756 wurde es fertig zur Hochzeit von Ludovico Rezzonico. 1758 wurde ein anderes Familienmitglied als Papst Clemens XIII. (1758 – 1769) gewählt. Da brauchte man so einen repräsentativen Palast. Aber ist er typisch für Venedig im 18. Jh.? Das Städtische Museum existiert dort seit 1936.
Das ganze Haus mit seiner Einteilung der Etagen und Räume ist charakteristisch für die Gesellschaft der Zeit. Man betritt es im Erdgeschoß mit den beiden Zugängen, dem wichtigen zum Canal Grande und dem ‚Hintereingang‘ beim Rio di San Barnaba, bei dem sich auch ein Brunnen und Park befinden. Beim Lichthof etwa in der Mitte liegen die Funktionsräume des Museums. Die Gemäldesammlung Ferruccio Mestrovich ist auf einer Halbetage untergebracht. Denn wo Herren waren, durften Diener nicht weit sein.
Man betritt heute das Museum über den Großen Ballsaal im 1.Piano Nobile, also der v.a. der Repräsentation dienenden 1.Etage. Es stimmt gut ein, wenn ein Museum gleich zu Beginn mit Außergewöhnlichem aufwarten kann, hier der sich über 2 Etagen auf die gesamte Hausbreite erstreckende Saal. Rechts gelangt man in eine Flucht von 4 Räumen für die frisch Vermählten, links befinden sich ebenfalls 4 Räume. Sie werden mittig verknüpft durch den ‚Großen Salon‘. Viele hochwertige Kunstwerke der Innenausstattung von Palästen des 18. Jhs mit hervorragenden Künstlern – allen voran Giambattista Tiepolo – bilden das Herzstück des Museums. Sehr viel davon wurde nachträglich hier eingebaut, was auch Kritik hervorrief. Doch die u.a. englischsprachige Information zu jedem Raum gibt über die jeweilige Herkunft Auskunft.
Die Raumeinteilung wiederholt sich im 2. Piano Nobile, der eher dem privaten Bereich zugeordnet werden kann, selbst wenn man mit diesen modernen Kategorien vorsichtig umgehen sollte in einer Zeit, in der ein Heer von Bediensteten, Bittstellern, Klientel die Herrschaft umschwärmte. Die Raumhöhen sind hier etwas niedriger. Mehr als in der Etage darunter zeigen die hier ausgestellten Gemälde Venedig im 18. Jahrhundert, etwa in den Stadtansichten Canalettos, den Arbeiten der Guardis oder den Alltagsszenen von Pietro Longhi. Erfrischend frech die Bilder von Tiepolos Sohn Giandomenico aus seiner Villa.
In der abermals niedrigeren 3. Etage, wo früher die Dienstboten, das Gesinde wohnte, hätte man das Alltagsleben Venedigs im 18. Jh. verdichten können. Um mit Bert Brecht zu sprechen, einen Koch werden sie ja wohl gehabt haben. Leider hat man die Raumstruktur dieses Bereichs als nicht erhaltungswürdig zerstört. (Ich kenne nur noch Reste des Dienstbotenbereichs im Palazzo Mora an der Strada Nova.) Ansätze gibt es ja mit dem Einbau einer alten Apotheke, aber die geht in den 250 Bildern der Galerie Egidio Martini unter. Da wirkt die Apotheke wie ein Fremdkörper. Warum geht man nicht in die Masken, die Bauta, die Longhi so oft malte? Warum erklärt man nicht, dass das wenig mit lustigem Karneval, aber viel mit einem Verstecken vor dem allgegenwärtigen Spitzelsystem der repressiven Serenissma im 18. Jh. zu tun hatte: ein überkommenes Staatswesen, das so marode war, dass es beim Auftauchen Napoleons 1797 einfach in sich zusammensackte.
250 Bilder auf der 3. Etage. Damit tut man niemanden einen Gefallen, den Künstlern nicht, dem Museum nicht, den Besuchern nicht. Am Schluss ist man froh, endlich durch zu sein. Geschafft! Das Museum hätte einen schöneren Abschluss verdient. Aber die unteren Etagen und hier neben dem ‚Heroen‘ Giambattista Tiepolo sein Sohn Giandomenico, Longhi, die Guardis und die vielen hervorragenden Kunstwerke sind sehr sehenswert.