Besuche am Mittwoch, 17.5. und Dienstag, 19.9.2017, je ca 3,5 Std. und auch früher schon mehrfach. Der Palazzo Ducale, Wohnung des Dogen und Zentrum der Macht in Venedig, entstand ab dem 9.Jh., brannte zwei mal zumindest teilweise ab und besteht in seiner heutigen Form v.a. aus Elementen der Spätgotik und Frührenaissance. Der Palazzo Ducale gehört zu den Städtischen Museen Venedigs. Im Bereich der Privaträume der Dogen werden meist Sonderausstellungen gezeigt.
Man sollte den Dogenpalast in aller Ruhe schon von außen betrachten, von der Piazetta und der Mole aus. Hinzu kommt der prächtige Innenhof mit den beiden Brunnen, der Renaissancetreppe und dem Blick auf den gotischen Markusdom. Man befindet sich im Zentrum eines der mächtigsten Staaten des christlichen Mittelalters während mehrerer Jahrhunderte. Entsprechend ist die Ausstattung vom Feinsten. Wo andernorts ab und an ein berühmtes Kunstwerk hängt, stolpert man hier fast über die vielen Tintorettos, Tizians, Veroneses, Tiepolos, Bellinis, Carpaccios etc. – und das am ursprünglichen Ort. Ein Audioguide auch auf deutsch ist hilfreich bei der Erfassung der Geschichte Venedigs anhand des Hauses und der Räume, lenkt den Blick auf einzelne Kunstwerke, entschleunigt, lädt ein zum genauen Hinschauen. Ergänzt wird er in mehreren Räumen durch prägnante Texte auch auf deutsch. Wer Probleme mit einer Vielzahl anderer Touristen hat, ist im Dogenpalast (wie wohl in Venedig überhaupt) nicht am rechten Platz.
Man sollte sich trotz aller Kunstwerke bewusst sein, dass man sich am Ort einer (oft rücksichtslosen) Machtausübung befindet. Die äußert sich etwa in vielen Türen, mit denen man Zu- und Abgänge lenken konnte. Oder in den Mauerschlitzen zum anonymen Hinterlegen von Denunziationen. Oder in den häufigen Uhren, die auf die hier herrschende Zeitökonomie verweisen. Seit der beginnenden Neuzeit mit der Entdeckung Amerikas war Venedig ein Staat im Niedergang. Die Adelsrepublik versuchte, mit einer allumfassenden Bespitzelung ihrer Bürger ihr überkommenes politisches System zu bewahren. So waren auch die Masken im immer ausgedehnteren Karneval primär der Versuch, diesem Spitzelsystem zumindest teilweise zu entkommen. Als 1797 Napoleon auftauchte, brach der venezianische Staat in sich zusammen. Die Soldaten haben große Teile der Inneneinrichtung als Kriegsbeute mitgehen lassen.
Zu den Räumen mitsamt Vorzimmern der verschiedenen Gremien zur Machtausübung, dem Kollegiensaal, dem Saal des Senats, dem Saal des Rats der Zehn, gesellen sich die Räume der diesem Machterhalt dienenden Gerichtsbehörden. Eine Schau alter Waffen in mehreren Sälen verweist auf eine weitere (nicht unwichtige) Basis der Macht. Am Ende des ersten Teils des Rundgangs liegen mit der Sala dello Scrutinio mit dem Triumphbogen und der Sala del Maggior Consiglio, dem Saal des großen Rats die größten Räume des Palastes. Allein der letztgenannte misst für die bis zu 1800 Rats-Mitglieder 55 x 25 m.
Es ist nur konsequent, dass sich ein Gang in das Neue Gefängnis anschließt, das, vom Dogenpalast durch einen Kanal getrennt, seit 1614 durch die berühmte Seufzerbrücke verbunden ist. Nach all der Pracht ist ein bisschen Grusel nicht unangebracht, auch wenn die durch Casanova berühmt-berüchtigten Bleikammern unterm Dach nicht zu sehen sind. Leider wird in den leeren Zellen auf das Strafsystem und die Haftbedingungen früherer Jahrhunderte wenig eingegangen, in dem Körperstrafen üblich waren. Man hat verstümmelt oder getötet. Eingesperrt hat man, wenn man sich einen (meist pekuniären) Vorteil erhoffte. Die Hinrichtungsstätte Venedigs befand sich gleich neben dem Dogenpalast auf der Piazetta zur Mole hin zwischen den beiden Säulen. Man wollte ja abschrecken.
Wer nach dem ausführlichen Rundgang noch Zeit hat, sollte in das kleine Museum der Bauhütte des Dogenpalasts innen beim Eingang gehen. Dort befinden sich neben Erläuterungen zur Baugeschichte mitsamt Vorgängerbauten originale Säulen und Kapitäle jetzt auf Augenhöhe, die zum Schutz am Gebäude durch Kopien ersetzt worden waren.