Jüdisches Museum Venedig

Besuch am Montag, 15.5.2017, ca. 1,5 Std. Das Jüdische Museum besteht seit 1953 als ‚Museum der jüdischen Kunst‘. Das heutige ‚Museo ebraico di Venecia‘ wurde wohl zum 500. Jahrestag des Ghettos 2016 neu gestaltet und um die Geschichte der Juden in Venedig erweitert. Es ist ohne Führung zugänglich. Einen Besuch der angeschlossenen ‚Deutschen Synagoge‘ im Rahmen einer Führung habe ich nicht mitgemacht. Ob dabei auch die ausgeschilderte Laubhütte zu besichtigen ist, weiß ich nicht. In die ebenfalls im Gebäude befindliche ‚Canton-Synagoge‘ kann man durch Fenster hineinsehen. Seit 1990 führt (engl.: manages) ‚Coopculture‘ im Auftrag der Jüdischen Gemeinde das Museum.

Thora-Kronen und andere Kultgegenstände
Foto: Gerd Walther

Man sollte das Museum und das früher nachts geschlossene Ghetto mitsamt den 5 Synagogen als Einheit betrachten. Im Viertel einer ehemaligen Metallgießerei (it.: geto) durften ab 1516 Juden wohnen. Ohne Niederlassungsrecht lebten sie zuvor auf dem Festland, ein jüdischer Friedhof existiert seit 1386 auf dem Lido. Im ‚Ghetto Nuovo‘ lebten Juden aus Deutschland und Italien. Nach 1541 wurden Juden aus Spanien, die teilweise über den Orient (Levantiner) kamen, im ‚Ghetto Vecchio‘ angesiedelt. Die Unterscheidung in ‚Nuovo‘ und ‚Vecchio‘ richtet sich nach alten Namen der Gießerei. 1633 folgte noch das ‚Ghetto Nuovissimo‘ für ‚Marranen‘, zwangsgetaufte Juden meist spanischer Herkunft. Bis 5500 Juden lebten hier sehr beengt meist von Pfandleihe, Trödelhandel, bisweilen als Ärzte, Arbeiten für den Eigenbedarf. Anderes war verboten. 1797 bei der Auflösung des Ghettos durch Napoleon waren es noch 1626 Bewohner.

Das Museum befindet sich im 1. Obergeschoss. Der Rundgang beginnt mit Exponaten zum jüdischen Leben und Jahr, den einzelnen Festtagen, v.a. Schabbat. Dazu sind Chanukka-Leuchter, Gewürzbüchsen, Purimteller, Menorah-Leuchten und Exponate zur Thora, Kronen, Schilde, Mäntel, Zeiger etc. ausgestellt. Man bekommt einen Überblick über das religiöse Leben anhand schöner Exponate. Die Texte zu den Exponaten wie den Sinneinheiten (auch auf englisch) sind eher knapp, Vorkenntnisse schaden da nicht. Der Rundgang geht über einen Gang mit weiteren Exponaten zur Thora in einen Raum mit Textilien. Hier fällt ein Paroketh, ein Vorhang vor dem Thora-Schrein, aus dem 17. Jh. mit der Darstellung der Gesetzestafeln und Jerusalems auf. Auch ein großer Sessel, wohl ein Elias-Stuhl, der bei Beschneidungen Verwendung findet, steht im Raum.

Jenseits des Treppenhauses beginnt die Geschichte der Juden Venedigs. Zwar sind die Erläuterungen jetzt etwas umfangreicher, zu den Exponaten aber immer noch knapp, so dass man nur schwer die jeweiligen Feinheiten erkennt. Drei ‚Nationen‘ bildeten sich heraus, getrennt durch Sprache, Gebräuche und religiöse Riten. Da sind die Deutschen und Italiener mit ashkenasischem Ritus im ‚Ghetto Nuovo‘. Die Spanier und Levantiner haben im ‚Ghetto Vecchio‘ in ihren beiden Synagogen den sephardischen Ritus. Ponentiner, zwangsgetaufte Juden aus Spanien und Portugal, lebten v.a. im ‚Ghetto Nuovissimo‘. Es folgen einzelne Gelehrte des Ghettos, die Rabbiner Simone Luzzatto und Leon Modena, der wie Giacobbo Vivante eine berühmte Talmud-Schule gründete, oder die Dichterin Sara Copio Sullam. Ein Einblick in den (in christlichen Händen befindlichen) bedeutenden Buchdruck schließt sich an. Eher knapp erwähnt werden der Niedergang der jüdischen Gemeinde (parallel zu dem Venedigs), der Wiederaufstieg im 19. Jh. sowie die Schoah durch meist deutsche Faschisten 1943-45. Eine wohl temporäre Ausstellung behandelt die jüdische Emigration nach 1945 über Pellestrina auf dem Lido nach Israel.

Blick auf den Thora-Schrein (links) in der ‚Canton-Synagoge‘
Foto: Gerd Walther

Eine Etage höher erreicht man die prächtige ‚Canton-Synagoge‘ von 1531/32. Vom Gang aus, wohl dem früheren Frauenbereich, sieht man durch Fenster und die Türe. Auf einer Schmalseite befindet sich der Thoraschrein, der Aron, und in der anderen die Bima, das Lesepult. An den Längswänden stehen jeweils die Pulte der Synagogenbesucher.

In der Nähe der Synagoge liegt eine der 3 Pfandleihbanken der Juden Venedigs, die ‚Banco Rosso‘, die in zwei Räumen v.a. einen kurzen Film zum Wirtschaftsleben der Juden Venedigs zeigt. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass die Betreiber eher von ökonomischen Interessen als vom Wunsch einer fundierten historischen Aufarbeitung geleitet werden.

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