Jüdisches Museum Shalom Europa

Besuch am Mittwoch, 17.1.2018, ca 1,5 Std. Das 2006 eröffnete Museum ist Teil des jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrums Shalom Europa in Würzburg. Das Museum wird von der jüdischen Gemeinde Würzburg/Unterfranken getragen. Das auch im Zentrum unterbrachte ‚Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken‘ wird vom Bezirk Unterfranken und der Stadt Würzburg getragen.

Blick in den Raum zu jüdischen Jahres- und Lebensfesten                                                                         Foto: Gerd Walther

Auch wenn sich das Museum auf die (im 19. Jh. entstandene) traditionelle Orthodoxie Würzburger Juden bezieht, spielt Geschichte in dem Museum eine erstaunlich geringe Rolle. Wie in anderen jüdischen Gemeinden schuf der Zuzug sog. Kontingentjuden seit den 1990er Jahren eine neue Struktur. So wuchs die jüdische Gemeinde Würzburgs seit 1991 von etwa 180 auf derzeit über 1000 Mitglieder, meist aus der ehem. Sowjetunion. „Die Neuankömmlinge“ heißt es im Web-Auftritt der Gemeinde, „kennen die Anforderungen einer orthodoxen jüdischen Lebensgestaltung nicht oder nur unvollkommen… Es fehlt ihnen oft in jeder Hinsicht an ‚Jüdischheit‘.“ Es geht also weniger um Vergangenheit, sondern um Gegenwart und Zukunft einer rel. kleinen Bezugsgruppe. Das erklärt wohl auch den Namen des Museums. Ob dazu ein Museum der richtige Ort ist, lasse ich einmal dahingestellt. Immerhin ist das Museum Teil eines umfassenden Gemeindezentrums, in dem sich u.a. die R.S.Lauder Foundation engagiert.

Das bedeutet natürlich nicht, dass das Museum für andere Besucher per se uninteressant wäre, geht es doch darum, was es unter der „Verbindung von Traditionstreue mit geistiger Aufgeschlossenheit“ versteht. So erläutert die Ausstellung zunächst die ‚Grundlagen des Judentums‘, ‚Leben und Feste‘, ‚Trauer und Gebet‘, die Jahres- und Lebensfeste von Juden. Man zeigt die Bedeutung der schriftlichen Tora, der  fünf Bücher Mose, sowie der mündlichen Tora, insbesondere des (babylonischen) Talmud. An einer Seite wird dessen Aufbau erklärt. Das ist durchaus interessant und auch gut gemacht. Dazu wird die Beutung von Symbolen, Kleidungsstücken, Essgewohnheiten, des Kalenders etc. anschaulich, knapp und fundiert, aber ohne engeren historischen Bezug aufgezeigt. Ob man das als Außenstehender in seiner Tiefe begreift, lasse ich einmal offen. Ist es doch in jedem Museum so, dass man mit größeren Vorkenntnissen tiefer in die jeweilige Materie eindringen kann.

Die Gestaltungselemente des Museums sind puristisch. Die Räume strahlen eine großzügige Weite aus, die mit den „ein für allemal vorgegebenen“ 613 Geboten und Verboten in Kontrast steht, strukturieren diese doch orthodoxes jüdisches Leben sehr stringent. Aber das mag man auch anders sehen. Wer von einem Museum erhofft, dass es ihn warm aufnimmt, an den Arm nimmt und durch die Ausstellung geleitet, wird hier wenig Freude haben. Es ist kühl, klar, sachlich. Und das hat nicht primär etwas mit der oft fürchterlichen Geschichte der Juden zu tun. Auch bezogen auf die äußere Form des Museums geht es – um in christlichen Termini zu sprechen – eher um den ‚Gerechten Gott‘ als den ‚Lieben Gott‘. Leider hat man bei den hellgrauen Beschriftungen auf Glas eher gestalterisch-ästhetischen Prinzipien den Vorzug gegeben als guter Lesbarkeit.

Bereich zur Würzburger Orthodoxie, dahinter Glasscheiben mit den Namen der in der Shoa ermordeten Juden
Foto: Gerd Walther

Zwei Bereiche des Museum befassen sich mit Geschichte. Da sind in einem gesonderten Raum mit Blick durch eine Glastüre die 1987 gefundenen 1456 Grabsteine der Zeit zwischen 1147 und 1346. Einige von ihnen werden auch in der Ausstellung genauer erläutert. Die Würzburger Orthodoxie spielt neben der Shoa im anderen Raum zur (knappen) Darstellung der Geschichte eine zentrale Rolle. Interessanter Weise hat im 19.Jh. der bayerische Staat hier die orthodoxe Ausrichtung um den Rabbiner Bamberger unterstützt, während er z.B. in Fürth liberale Strömungen mit dem Rabbiner Loewi vehement gegen die Orthodoxie förderte. Vielleich lag dies auch an der Geschichte und Größe beider Gemeinden. Während nach der Vertreibung der Juden durch die Fürstbischöfe 1643 sich erstmals wieder 1803 ein Jude in Würzburg niederließ und 1834 eine Gemeinde gegründet wurde, gab es in Fürth ca 2500 Juden. Und während hier die orthodoxe Talmudschule 1829 geschlossen wurde, eröffnete in der (Universitäts-) Stadt Würzburg 1864 eine orthodoxe Lehrerbildungs-Anstalt. Auch der Umgang mit Glaubensrichtungen bewegt sich im gesellschaftlich-politischen Umfeld. Obwohl historische Fragen eine untergeordnete Rolle spielen – es gibt Stimmen, die bezweifeln, dass es sich überhaupt um ein Museum handelt – , ist mit dem Jüdischen Museum Shalom Europa ein interessantes Museum zur „Darstellung traditionellen jüdischen Lebens“ in der Gegenwart entstanden.