Focke-Museum

Besuch am Sonntag, 28.11.2021, ca 3,5 Std. Das ‚Focke-Museum – Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte` geht auf Vorläufer bis ins Jahr 1884 zurück. Lange Zeit an der Großenstraße am Rand der Altstadt an der Weser in einem ehemaligen Arbeits- und Zuchthaus, später Altersheim untergebracht, zog es nach dessen Zerstörung im 2.Weltkrieg in den durch Villen geprägten Stadtteil Riensberg. Träger des Focke-Museums ist das Land Bremen.

Vorne die ‚Isabella‘ TS Coupé von Borgward (Bj. 1960). Für den ‚Leukoplastbomber‘ Lloyd 300 (1950 – 1952) galt eher der Grundsatz „Was nicht drinnen ist, kann auch nicht kaputt gehen.“
Foto: Gerd Walther

Das Museum im parkähnlichen Ambiente besteht neben dem Haupthaus noch aus 5 weiteren Gebäuden. Das ‚Haus Riensberg‘, das ehemalige Herrenhaus des gleichnamigen Gutes, die Keimzelle des Museums vor Ort, beherbergt Bremer Wohnkultur und europäische Glaskunst nebst einem ‚Kindermuseum‘. In der dazugehörigen Scheune, dem ‚Eichenhof‘, sind die Vor- und Frühgeschichte des Umlands mit hochinteressanten Exponaten modern aufbereitet ausgestellt. Das stolze ‚Bauernhaus Mittelbüren‘ und die ‚Tarnstedter Scheune‘ – beide hierher transferiert – zur Geschichte der Landwirtschaft waren leider (coronabedingt?) geschlossen. Hinzu kommt ein ‚Schaumagazin‘ in einem Gebäude von 2002.

Das ebenerdige Haupthaus wurde 1964 im Stil klassischer Moderne eröffnet. Wegen seiner markanten Architektur hochgelobt, sollte man nicht vergessen, dass mit dem Gebäude zugleich das damals übliche museumsdidaktische Konzept der Vereinzelung qualitativ hochwertiger Exponate verbunden ist. Das funktioniert in einem Museum ‚für Kunst und Kulturgeschichte‘, soweit wir es mit entsprechenden Exponaten zu tun haben. Aber es hält die Besucher*innen auf Distanz. Mittlerweile haben sich Ausstellungskonzepte gewandelt hin zur verstärkten Einbeziehung von Alltags- und Gegenwartskultur. Hier zählt nicht unbedingt das isoliert ausgestellte Einzelexponat, sondern eine Präsentation aussagekräftiger Gegenstände in sinnstiftenden Raumensembles mit ihrem rekonstruierten Umfeld. Und hier sollte ein Museum Wärme und Nähe ausstrahlen. Da sperrt sich dieser Museumsbau. Keinen Sinn würde es jedoch machen, gegen das zeittypische Gebäude zu arbeiten, dafür ist es zu gut.

Die Stärke des Focke-Museums liegt in der Präsentation kunstgeschichtlich hochwertiger Exponate – von denen man viele besitzt – aus dem Mittelalter bis ins 19.Jh. So bekommt man beispielsweise die Figuren der Kurfürsten mitsamt Kaiser vom Alten Rathaus aus der Nähe zu Gesicht oder Exponate aus dem kirchlichen Umfeld. Dazu gibt das Museum Artefakten zur Geschichte der Stadt und ihrer Oberschicht einen gebührenden Rahmen. Bei der Industrie- und Alltagsgeschichte gelingt das kaum. So wirkt ein (hübscher) Aktenschrank aus dem Bremer Polizeihaus mit Karteikarten von Verfolgten aus der Nazizeit seltsam deplatziert, ebenso viele Exponate zur Arbeiter- und Frauengeschichte sowie zur Revolution 1918/19. Oder nehmen wir im Prinzip unspektakuläre, aber deshalb nicht uninteressante Arbeitsgeräte und -maschinen aus dem Umfeld der Häfen. Natürlich gibt es auch hier Exponate, die in ihrer Eleganz herausragen. Etwa die überaus schöne ‚Isabella‘ von Borgward, bei der man sich immer fragt, wieso eine Firma, die so schöne Autos baute, pleite gehen kann. Natürlich kennt man die Antwort.

Im Schaumagazin befindet sich u.a. die Ladeneinrichtung von ‚Pfeifen Schöner‘;
Foto: Gerd Walther

Eine gute Idee ist das Schaumagazin, in dem der Besucher/die Besucherin durch eine Vielzahl von Exponaten spazieren und selbst Lieblingsstücke auswählen kann. Alleine die Einrichtung aus dem Geschäft ‚Pfeifen Schöner‘ ist einen Besuch wert. Allerdings sollte man die Beleuchtung nicht über Bewegungsmelder schalten, was entspanntes Betrachten stört, weil das Licht ausgeht. Das parkähnliche Ambiente hat seinen eigenen Wert und vermittelt ein Gefühl für die gehobene Wohnkultur der Umgebung. Darin als Altbestand noch die beiden Gebäude des Gutshofs Riensberg. Auch hier werden die interessanten Exponate zur Wohnkultur – etwa die schöne Renaissance(?)-Truhe, die Räume mit den Wandfliesen, die tollen Öfen – selbst da vereinzelnd präsentiert, wo sie (meist) auf einem Podest zusammenstehen. Wenn aber in einem ‚Kindermuseum‘ (fast) alles hinter Glas ist, hat man dessen Prinzip noch nicht ganz erfasst.

Das Focke-Museum hat bei den sehr vielen hochwertigen Exponaten als kulturgeschichtliches Museum seine Stärken, als stadtgeschichtliches Museum aber auch Grenzen.