El Born CC

Besuch am Sonntag, 5.3.2017, am Donnerstag 9.3.2017 und auch sonst mehrfach, da mein Hotel gleich um die Ecke lag, insgesamt ca 3 Std. ‚El Born CC‘ (Centre Cultural) ist ein 2013 eingeweihtes Kulturzentrum in einer ehemaligen (Groß-)Markthalle von 1876 mit damals modernster Metallkontruktion am Ort eines älteren offenen Marktes im Umfeld einer noch früheren Zitadelle, errichtet zur Unterdrückung der Bevölkerung Barcelonas nach der Niederlage im Spanischen Erbfolgekrieg 1714 gegen die Madrider Krone am ursprünglichen Platz eines alten Stadtviertels, das dafür abgerissen wurde. 1971 war der Großmarkt verlegt worden, bei Aushubarbeiten für eine ursprünglich geplante Bibliothek entdeckte man Reste des alten Stadtviertels, die freigelegt und erhalten wurden. Die Besichtigung der Ausgrabungsfläche in der Großmarkthalle ist frei, der Besuch des Ausstellungsbereichs kostet etwas. Trägerin ist die Stadt Barcelona.

Teil der Halle mit Ausgrabungen
Foto: Gerd Walther

Man verlässt die engen Gassen des gotischen Viertels, betritt einen weiten Platz mit einer mächtigen Halle, die anzieht, und steht schon mitten drin, ehe man es richtig realisiert. Der Blick streicht über die Konstruktion der Halle auf die etwa 5 m tiefer liegenden Ausstellungs- bzw Ausgrabungsflächen des ehemaligen Stadtviertels. Mit etwa 1000 Häusern war damals 1/5 der Fläche Barcelonas von den neuen Herren für ihre Zwingburg zerstört worden. Es ist nur ein kleiner Teil davon, auf den man im Zentrum der alten Halle wie von einem Balkon oder einer Brücke blicken kann, auf drei Abteilungen, die einen Großteil der Halle einnehmen. Allmählich erkennt man Straßenzüge, Hauswände, Brunnen, Teile von Wasserleitungen, Kloaken, Treppen. Es taucht eine über 300 Jahre alte Zeit in vielen Facetten auf, ruhig, unaufdringlich. Die Markthalle macht ’nur‘ ein Angebot, aber es ist schwer, sich dem Bann des Ortes zu entziehen. Dann bemerkt man die großen Infotafeln innen an den Geländern mit Texten in Katalanisch, Spanisch und Englisch, mit Bildern, Plänen etc., die erläutern, was man gerade sieht.

Die Alltagskultur, das Leben in Barcelona um 1700 wird in der Dauerausstellung vertieft, eine Sonderausstellung wurde gerade vorbereitet. Auch hier hat man sich wieder auf den Fundort konzentriert, geht zudem auf politische Strukturen und die militärische Niederlage im Spanischen Erbfolgekrieg ein. Auf der einen Seite stehen England, die Niederlande, die Habsburger und Katalonien/Barcelona gegen die Bourbonen, Bayern und Kastilien/Madrid. Letztlich alleine gelassen, erfolgt die Unterwerfung des wirtschaftlich regen, relativ selbständigen Katalonien durch das absolutistisch-zentralistische Madrid. Man hat wieder ans Licht gebracht, was vor 300 Jahren durch Gewalt zerstört und verschüttet wurde, um die Erinnerung an die nationale Identität der Katalanen wach zu halten auch gegen…

Deshalb steht der Alltag im Mittelpunkt der Ausstellung. In einer Art Schaudepot, für das man sich Zeit nehmen sollte, ist die ganze Bandbreite der Fundstücke am Ort ausgestellt. Es folgen einzelne Abteilungen, in denen kurze, prägnante Texte die Exponate und Bilder ergänzen. Vídeos heben je Einheit einzelne Exponate hervor, zeigen Details, vertiefen die Betrachtung. Es beginnt mit Barcelona in der (damaligen) Welt, in Catalonien, die Stadt selbst folgt, die Stadtregierung, die Beschäftigung der Bewohner in Handel und Handwerk, die Häuser, ihre Ausstattung, die Gegenstände des Alltags, großer, kleiner oder kein Luxus in religiösen wie profanen Dingen, Tabak, Schokolade, Spiele, Feste, Tanz, Musik.

Foto: Gerd Walther

Wenn man in dieser eindrucksvollen Alltäglichkeit angekommen ist, geht’s wieder heraus, über die Kämpfe um 1700 bis zur Eroberung, die Zerstörung für die Zitadelle und den Bau des Stadtteils La Barceloneta als Ersatz für die Bewohner mehr als eine Generation später, rechteckig am Meer angelegt, so dass man nur wenige Kanonen braucht, um die Bewohner in Schach zu halten. Doch auch Zitadellen halten nicht ewig, werden wie hier ab 1841 bis zur Weltausstellung in Barcelona 1888 weitgehend abgerissen, die moderne Markthalle entsteht, ist irgendwann veraltet und weicht wiederum dem Culturzentrum, in dem man sich gerade befindet. Das ist gut gemacht: ein (eindrucksvoller) Ort, seine Geschichte in den letzten 300 Jahren – und man steht mittendrin.