Museum of London Docklands

Besuch am Samstag, 31.10.2015, ca 3 Std. Das Museum der Geschichte der Londoner Häfen bzw. Hafenviertel ist eine Dependance des Museum of London. 2003 wurde es in einem 1802 errichteten Zucker-Lagerhaus auf den West Indian Docks eröffnet. Der Eintritt ist frei, man wünscht wie in ähnlichen Museen eine Spende von 5 Pfund.

Die Ausstellung reicht von der Römerzeit bis in die Gegenwart. Wegen der Bedeutung der Schifffahrt Londons gibt es zugleich einen Einblick in die Geschichte Englands. Leider ist sie – anders als das Stammhaus – unnötig textlastig geworden. Die Texte sind meist wie Zeitungsartikel aufgebaut, also Überschrift, Vorspann, Bericht, Bilder mit Unterschriften. Besser hätte man den Vorspann und die Bildunterschriften verdichten und die Berichte für den Museumsführer aufheben sollen. Davon abgesehen gibt die Ausstellung sehr lebendig und abwechslungsreich mit oft ausgezeichneten Exponaten die Geschichte der Londoner Häfen differenziert wieder. Wegen des geringeren Besucheraufkommens – das große Museum war gut besucht – kann man die Exponate in Ruhe betrachten.

Installation Hafenviertel um 1750 mit Tretmühle (ober rechts) Foto: Gerd Walther

Installation Hafenviertel um 1750 mit Tretmühle (oben rechts)
Foto: Gerd Walther

Genau genommen steht die Themse als Lebensader Londons im Zentrum der Präsentation, ein Fluss, der über Jahrhunderte ’seine‘ Menschen ernährt hat. Schöne Modelle und Bilddokumente belegen den Umgang mit ihm seit der Römerzeit, die Anlage von Häfen, Handelshäusern, Befestigungs- und Wohnbauten, nicht zuletzt Brücken. Schon die Römer errichteten um 100 n. Chr. eine Holzbrücke, im 12.Jh folgte ein Steinbau mit Häusern, einer Kapelle, Zugbrücke, Mühlen etc. Doch die Brücke war auch eine Sperre, gewollt gegen Feinde, unpraktisch wegen der größer werdenden Schiffe. Die Docks wanderten flussabwärts, zunächst noch vor den Tower, nach 1800 dahinter.

Das Museum nimmt auch seine eigene (Gebäude-)Geschichte ernst, so dass dem Handel mit Zucker und Sklaven eine große Abteilung gewidmet ist. Denn so wurde nicht nur die West India Company im 18. Jh reich: Waffen und Tauschmittel gingen per Schiff nach Westafrika zum Erwerb von Sklaven. Diese wurden zu den Zuckerrohrplantagen Amerikas gebracht. Dort wurde Zucker, Rum, Tabak für London geladen. Dann auf ein Neues.

Installation Hafenviertel um 1850 Foto: Gerd Walther

Installation Hafenviertel um 1850
Foto: Gerd Walther

Sehr anschaulich gemacht ist mit zwei umfänglichen Installationen die Zeit um 1750 und v.a. die um 1850. Dunkle, enge Gassen, Kontore, kleine Läden und Wohnplätze, nicht nur die Kneipen verrucht und gespenstig, manchmal kann man hineingehen, teilweise genügt ein Blick durch ein erleuchtetes Fenster in eingerichtete Räume. Wer Londons East End zur Zeit von Jack the Ripper (1888) kennenlernen will, erhält hier den wohl eindringlichsten Einblick, auch wenn das Menschengewühl fehlt. Das ist toll gemacht.

Es folgen kleinere Ensembles. Hafenviertel sind nie nur Handelsorte, es sind Lebensräume, in denen Menschenmassen unter oft völlig unzureichenden (hygienischen) Bedingungen hausten. Es sind auch Orte des Wirtschaftens. Werften, Großmühlen, Kohle-, Stahlwerke und andere große Fabriken entstehen und werden mit typischen Maschinen, Einrichtungen und Dokumenten vorgestellt. Oder die Polizei mit ihren langen Stecken zur Orientierung im dichten Nebel. Unermesslicher Reichtum, unfassbares Elend, Laster und Verbrechen lagen nah zusammen. Ein Hafenviertel der Sonderklasse.

1666, 1794 und 1866 zerstörten riesige Feuer ganze Stadtteile – bis hin zu den deutschen Luftangriffen im ‚Blitz‘ ab 1940, unter denen das East End besonders zu leiden hatte. Doch immer wieder wurde aufgebaut, noch größer, noch mächtiger. Immer größere Schiffe verlangten immer größere Hafenanlagen – flussabwärts. So wurden die Londoner Docks in den 1960er Jahren allmählich veraltet. Ab 1985/88 entstand an ihrer Stelle das Bankenviertel Canary Wharf, ein Moloch der anderen Art. Für die alten Docks, ihre Menschen, Häuser und Straßen war trotz aller Gegenwehr hier kein Platz mehr.