Gotisches Haus – Spandau

Besuch am Donnerstag, 20.8.2020, eine knappe Stunde. Das Museum im 1987 – 1993 grundlegend renovierten Gotischen Haus erhielt 2019 eine Überarbeitung. Es gehört organisatorisch zum Stadtgeschichtlichen Museum im Zeughaus der Zitadelle Spandau. Trägerin des Museums ist die Stadt Spandau. Coronabedingt war ein Raum nicht zugänglich.

Installation mit typisch flachem Transportboot
Foto: Gerd Walther

Spandau, eine alte Festungs- und Garnisonsstadt im Westen Berlins, ist vor allem durch die Zitadelle bekannt, in der, um es vorweg zu sagen, die Nazi-Kriegsverbrecher nicht eingesperrt waren. Deren Gefängnis wurde zwischenzeitlich abgerissen. Unauffällig reiht sich das Gotische Haus in den Straßenzug einer alten Handelsstraße ein. Wäre nicht im Erdgeschoss auch die Tourist-Information untergebracht, man würde leicht vorbeigehen. Etwa in der Mitte des 15.Jhs wurde das Gotische Haus aus Stein nach Vorgängerbauten vermutlich von (reichen) Kaufleuten errichtet. Es ist somit das älteste Bürgerhaus im Berliner Raum. Schön sind die Kreuzrippengewölbe in einem Teil des Erdgeschosses, in dem gewöhnlich auch Sonderausstellungen Platz finden.

Das nicht sehr große Museum erstreckt sich im Obergeschoss über 13 Räume und gibt – ausgehend vom Gebäude – einen Überblick über Spandaus Geschichte vom Mittelalter bis ins frühe 20.Jh. Wer mehr wissen will, muss wohl in das Museum in die Zitadelle, wo ich nicht war. Es ist also ein Museum für einen kurzen ersten Eindruck. An der Rückseite reichte das Grundstück ursprünglich bis zur Havel kurz bevor die Spree einmündet, ein weiterer, für den Fernhandel wichtiger Handelsweg. Von hier ging’s bis nach Hamburg, wohin mit Getreide, Bier, Fisch, Holz, Ziegelsteinen gehandelt wurde. Auch Salz v.a. für die Konservierung der Fische war ein wichtiges Gut, kam von der Ostsee oder aus Magdeburg. Schön zeigt das Museum mit wenigen Dokumenten, Fotos, Exponaten die Veränderungen im Haus mit seinen Bewohnern. 1868 lebten hier ein Richter, ein Hotelier, ein Kaufmann, ein Schiffer, ein Bürstenmacher, ein Schneider, 4 Gewehrarbeiter und 2 Büchsenmacher. Im Erdgeschoss befand sich eine Gastwirtschaft. Eine Menükarte zu einer Geburtstagsfeier gewährt hübsche Einblicke. Weitere Räume etwa zur verbesserten Wasserversorgung und Kanalisation im Zusammenhang mit einer Cholera-Epidemie 1866 schließen sich an, wobei häufig der Bogen vom Mittelalter ins 19.Jh geschlagen wird. Auch sonst ist das Museum bis hin zum Sitzbrett einer mittelalterlichen Latrine abwechslungsreich gestaltet. Texttafeln informieren über den jeweiligen Schwerpunkt des Raums, eine Broschüre zur kurzen Vertiefung liegt ebenfalls aus. So wird mit wenigen Strichen die Geschichte der Stadt und seiner Bewohner treffend skizziert.

Blick in die ‚Weiße Küche‘ mit Geschirrspüle (links) und Eisschrank (rechts)
Foto: Gerd Walther

Geprägt wurde Spandau seit dem 30jährigen Krieg als Militär- und Festungsstadt durch die nahe Zitadelle. Das beeinflusste auch die Stadtentwicklung, denn das Militär wollte im Ernstfall freies Schussfeld. Dass hier eine große Gewehrfabrik entstand, verwundert fast nicht. Mehr erfahren hätte ich gerne vom großen Arbeits- und Zuchthaus, das einen Teil der Stadt prägte. Im hinteren Teil des Museums liegt der Schwerpunkt mit einem Salon auf dem bürgerlichen Wohnen vom Biedermeier bis ins frühe 20.Jh. Der Damensalon eines großbürgerlichen Haushalts der 1920er Jahre kommt hinzu. Schön auch die sog. ‚Weiße Küche‘ mitsamt Eisschrank aus einer eher kleinbürgerlichen Wohnung. Nachdem v.a. aus Feuerschutzgründen offene Kamine durch moderne Herde ersetzt worden waren, galt weiß in der vorher rußschwarzen Küche als sehr vornehm. Spielzeug, wohl auch von Kindern armer Leute in Heimarbeit in Spandau hergestellt, beleuchtet einen weiteren Aspekt.

Wie gesagt, das Museum im Gotischen Haus will eher Stadtgeschichte um das Haus herum anreißen, eine Skizze liefern, die in die Stadt hinein reicht. Das ist kurzweilig und anschaulich mit interessanten Exponaten und knappen, fundierten Erläuterungen gelungen und erfüllt so seinen Zweck vollauf. Der Eintritt ist frei.