Freilandmuseum Bad Windsheim – Ausstellung ‚Zweite Heimat Franken‘

Besuch am Samstag 30.12.2023, eine knappe Stunde. Die Sonderausstellung ‚Heimat ist da, wo man satt wird‘ ist Teil eines Ausstellungskomplexes zum Thema ‚Zweite Heimat Franken – Migration in Bad Windsheim und im ländlichen Mittelfranken‘. Sie ist noch bis zum 15.12.2024 zu sehen. Eine weitere Ausstellung zu diesem Themenkomplex läuft im Windsheimer ‚Reichsstadtmuseum im Ochsenkopf‘. Träger des Freilandmuseums ist der Bezirk Mittelfranken.

Blick in die Ausstellung; Foto: Gerd Walther

Es geht um ‚Gastarbeiter‘ (auch in der Ausstellung in Anführungszeichen gesetzt), ein Begriff, der der ursprünglichen Intention beider Seiten entsprach, aber schon bald nicht mehr exakt war. Er ist aber historisch entstanden und im Selbstverständnis der Migrant*innen und der Einheimischen verankert. Seit den späten 1950ern kamen meist mittels Anwerbeabkommen bis in die 1980er Jahre ca 14 Mio ‚Gastarbeiter‘ nach Deutschland, um den Arbeitskräftemangel im ‚Wirtschaftswunderland‘ zu lindern. Etwa 20% davon blieben, holten Ehepartner oder Verwandte nach, bekamen Kinder, heirateten Deutsche. Um es mit Max Frisch zu sagen: „Wir riefen Arbeiter, und es kamen Menschen.“

Die Ausstellung unterteilt sich in 2 Bereiche. Außen befinden sich eher allgemeine Texte, etwa zu den Gründen der Migration, zur Religiosität, zur Rolle von Nachbarn und Vereinen, zur Bedeutung des Heimaturlaubs oder was man bei der Ankunft dabei hatte und wie diese verlief: fast immer Hauptbahnhof München, Gleis 11. In der Mitte sind lose über den Raum verteilt kurze Biografien, Statements, Fotos, Erinnerungsstücke von 20 Migrant*innen, 9 Männern, 3 Frauen und 4 Paaren. Herkunftsländer sind Italien, Griechenland, die Türkei, Nordmazedonien, Ungarn und Vietnam. Nur bei den beiden letzten spielten politische Gründe eine größere Rolle. Natürlich wollten sich die Leute eine bessere Zukunft gestalten, als es zu Hause möglich war, Armut entfliehen, nicht mehr hungern, lernen, das Leben selbst gestalten. Oder, gerade auch Frauen, die oft ungefragt verheiratet wurden, sie wollten einer gesellschaftlichen Enge entkommen. Auch Abenteuerlust gehört dazu. Bei ihrer Migration waren die meisten so um die 20 Jahre alt.

Die ‚Gastarbeier*innen‘ werden in einer auf die Migration bezogenen Biografie kurz vorgestellt, Fotos kommen hinzu sowie ein oder mehrere Exponate. Oft beleuchten die Gegenstände die Bindung an das Herkunftsland. Andere veranschaulichen das Hineinleben hier. Das kann ein Wandteppich sein, Siegerurkunden aus dem Sportverein, ein Fahrrad, ein einfaches Moped, das Dreirad eines Verkäufers von italienischem Eis, Mutters Kochschüssel. Mehrere haben sich selbständig gemacht, Eisdielen, Restaurants, Schneidereien eröffnet oder übernommen, viele blieben in der Fabrik, bei AEG etwa oder anderen eher größeren Betrieben. Manche haben (religiöse) Gemeinschaften gefunden, die meisten hatten eine Religiosität wie die meisten Deutschen: im Prinzip ja, v.a. an Festen wie Weihnachten und Ostern. Kinder spielten eine große Rolle für die Integration durch den Besuch der Schule, wo sie intensiver deutsch lernten, Freund*innen bekamen, Feste wie Weihnachten oder Kirchweihen kennenlernten.

Blick in die Ausstellung; Foto: Gerd Walther

Es mag an der Auswahl der Personen liegen, die jetzt seit Jahrzehnten hier leben, dass in der Ausstellung Probleme eine geringe Rolle eher nebenbei spielen, was schade ist. Denn sicher gab es Ausgrenzungen, Vorurteile, Verächtlichmachungen. Fremde, das galt nach 1945 auch für Heimatvertriebene und Flüchtlinge, haben häufig mit Ressentiments und Vorurteilen zu kämpfen. Dann sollte man das auch deutich machen. Von Einsamkeit ist die Rede, von Sprachbarrieren, aber im Grunde sind es Erfolgsgeschichten. Die ganze Wirklichkeit wäre wohl nicht nur lebensnaher, sondern auch spannender.

Indem die biografischen Einheiten und allgemeinen Texte locker über den Raum verteilt sind, fehlt ein Mittelpunkt. Das könnte ein großer runder Tisch sein mit Texten, Fotos, Infos, Anregungen, Spielen, die übrigens vorhanden sind. Es fehlt etwas zum Verweilen, was das Schlendern durch die Ausstellung bremst und unterbricht. Während meines Besuchs kamen ca 6-7 Paare. Sie waren nicht uninteressiert, lasen 2-3 Biografien oder anderes – und waren nach 10 Minuten wieder draußen. Das ist schade, denn die Ausstellung ist gut gemacht, informativ, kurzweilig und wichtig. Ein Besuch ist zu empfehlen.