Berlin – Humboldt-Forum – BERLIN GLOBAL

Besuch am Montag, 18.10.2021, ca 3,5 Std. Die Ausstellung BERLIN GLOBAL „zeigt auf 4000qm, wie die Stadt und ihre Menschen mit der Welt verbunden sind“, heißt es im Eigentext. BERLIN GLOBAL wurde am 21.Juli 2021 eröffnet. Es handelt sich um eine Kooperation der städtischen Einrichtungen ‚Kulturprojekte Berlin‘ und ‚Stadtmuseum Berlin‘.

Blick in den Eingangssaal ‚Weltdenken‘
Foto: Gerd Walther

Die Ausstellung in der 1.Etage des Humboldt-Forums rund um den sog. Schlüterhof unterteilt sich in die jeweils einem Saal zugeordneten Kernthemen Revolution, Freiraum, Grenzen, Vergnügen, Krieg, Mode und Verflechtung, die man in dieser Reihenfolge durchläuft. Vorgelagert sind 2 weitere Säle. Da ist zunächst als Entree der Saal ‚Weltdenken‘, benannt nach einem 375 qm großem Wandbild von How&Nosm. Aber es bleibt bei zugleich geringen Erläuterungen wenig beachtet. Zu sehr beschäftigen (freundliche) Mitarbeiter*innen die Neuankömmlinge mit Infos darüber, wie die Ausstellung funktioniert. Man erhält interaktive Armbändchen und alle möglichen häufig computergestütze Hinweise. Dabei wollen die allermeisten Besucher zu Beginn einer Ausstellung zunächst nur einen ruhigen Fleck, um selbst eine Beziehung aufbauen zu können. Diese geballte Infowucht sollte man entzerren. Dann könnten sich die Besucher*innen auch mehr auf das Wandbild konzentrieren. Ein Eintauchen in die Präsentation ermöglicht der 2.Saal mit ‚Berlin-Bilder‘, einer gut gemachten Übersicht über das, was kommt, mit großen, guten Fotos und knappen, informativen Texten.

Die folgenden Säle sind ganz vorzüglich und spannend aufbereitet. Natürlich werden auch moderne Museumsmedien eingesetzt. Sie ergänzen sich mit künstlerischen Annäherungen an die Stadt und ihre Bewohner sowie mit ‚klassischen‘ Exponaten, die so ‚klassisch‘ oft gar nicht sind. Etwa den riesigen, verrosteten, demolierten, alten Schließfächerschrank aus dem Kaufhaus Wertheim von 1938. Oder die Schalmei eines Arbeiter-Orchesters aus den 1920ern. Oder dem Modell der Drehbühne aus dem ‚Theater am Schiffbauer Damm‘ zu Max Reinhardts Inszenierung von Shakespeares ‚Sommernachtstraum‘ 1905. Oder, oder, oder. Man geht durch einen riesigen Fundus zur Berliner Stadtgeschichte insbesondere seit dem 19.Jh., die ja Hauptstadtgeschichte ist. Hinzu kommen häufig persönliche Erinnerungen, die die Exponate zusätzlich vertiefen. Man erhält einen Einblick in Einzelschicksale, etwa des Angehörigen der Askari-Hilfstruppe in Ostafrika, Mahjub bin Adam Mohamed Hussein, der 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet wurde. Ein paar Schritte weiter berichtet eine Mitarbeiterin aus dem Sexualwissenschaftlichen Institut von Magnus Hirschfeld, eine Frau, die man beim ersten Hinsehen für eine Mamsell halten kann. Und ebenso nicht weit entfernt entsteht Berliner Musikleben von der Schallplattenfirma Lindström bis zur Technokultur der Gegenwart. Darin integriert sind Flächen, auf denen gesellschaftliche Gruppen Wechselausstellungen gestalten können, so dass auch von dieser Seite immer wieder neue Impulse kommen. Die Gestaltung der Bereiche Revolution, Freiraum, Grenzen, Vergnügen und Krieg gehört zum Lebendigsten und Spannendsten, was mir bisher in Museen begegnet ist.

Detail aus dem Saal ‚Vergnügen‘ zwischen Kaiserpanorama (links) und moderner Animation;
Foto: Gerd Walther

Vielleicht liegt es an meinen Interessen und meiner Konzentrationsfähigkeit, dass der Bereich Mode merklich abflacht. Die breiten Raum einnehmenden Darlegungen von Schüler*innen der Modeschule Berlin erinnern mehr an entsprechende Hochglanz-Zeitschriften. Dabei besitzt auch dieser Saal durchaus spannende Segmente zur Bekleidungsgeschichte, aber irgendwie zerbröselt hier die Präsentation. Gänzlich bricht der Spannungsbogen im Saal ‚Verflechtungen‘ zusammen, eigentlich ein Kernthema der Ausstellung. Diese Atmosphäre eines leeren Wartesaals verstärkt sich noch in der Lounge, die unter dem Kernthema „Sich begegnen und vernetzen“ steht. Aber dazu bräuchte es mehr Infrastruktur als ein futuristisches Interieur, in das sich niemand setzt. Wieso vernetzt man die Besucher hier nicht über Spiele für Jung und Alt zum Thema BERLIN GLOBAL und gibt dazu ein niederschwelliges Café im gleichen Raum? So, wie sich die Menschen auch außerhalb der Ausstellung begegnen und vernetzen.

Insgesamt aber ist die Ausstellung BERLIN GLOBAL v.a. im Kernbereich unbedingt zu empfehlen. Und wenn man nicht alles mitbekommen oder verstanden hat, kann man ja noch einmal kommen. Man versteht ja auch Berlin nicht an einem Tag – wenn man das überhaupt will.