Jüdisches Museum Fürth – Ausstellung Alfred Nathan

Besuch am Sonntag, 12.2.2023, ca 1 Std. Die Ausstellung ‚Alfred Nathan – Stiften aus Tradition‘ erinnert an den 100. Todestag des jüdischen Mäzens aus Fürth am 9.10.2022, von dessen vielen Stiftungen in Fürth das ‚Wöchnerinnen- und Säuglingsheim Nathanstift‘ am bekanntesten ist. Die Ausstellung geht noch bis zum 30.4.2023.

Gang zur Ausstellung mit einer Büste und einem Foto Alfred Nathans
Foto: Gerd Walther

Gang zur Ausstellung mit einer Büste und einem Foto Alfred Nathans
Foto: Gerd Walther

‚Stiften aus Tradition‘, das erinnert zunächst einmal an diese fragwürdigen Stadtmarketing-Slogans wie ‚Fortschrittlich aus Tradition‘ etc, die alles bedeuten sollen und doch nichts sagen. Natürlich kann man das Thema ernst nehmen und nach möglichen Traditionen fragen. Etwa der Tradition des jüdischen Gebots der Zedaka, der Wohltätigkeit, zu der es bei Wikipedia heißt: “Das Konzept Zedaka bedeutet, dass Juden verpflichtet sind, von dem zu geben, was Gott ihnen anvertraut hat, um es zu teilen und die Welt zu heilen.“ Etwa vor dem im 19. Jh. zunehmenden Antisemitismus? Oder man könnte auf die Tradition der Familie Nathan eingehen, die seit 1718 in Fürth wohnt und um 1800 als Diamanten- und Wechselhändler bezeichnet wird. Kurz nach 1800 gründet Moses Meyer Nathan eine der jüdischen Privatbanken in Fürth, das Bankhaus M.M. Nathan & Co. (1919 wurde sie von der Bayer. Hypotheken- und Wechselbank übernommen.) Denn von dort kam das Geld, das Nathan stiftete. Nach dem Tod seines Vaters 1888, des Bankdirektors Sigmund Nathan, wurde er Teilhaber, während andere Familienmitglieder die Bank in der Friedrichstr.10 leiteten. Oder man könnte das Leben Alfred Nathans selbst in den Mittelpunkt stellen, der seinen Beruf als Rechtsanwalt nach 1902 ausgerechnet wegen der Armeleutekrankheit Lungentuberkulose mit allmählich folgenden ‚Zwangsvorstellungen krankhaft-hypochontrischen Inhalts‘ nicht mehr ausüben konnte. Der 1904 in einem Testament 150.000 Mark für Volksbildungszwecke einstellte, „zur Ausgleichung der besonders in Fürth oft scharf hervortretenden sozialen Gegensätze“. (Berolzheimer stiftete 1906 das Volksbildungsheim.) Der in der Rede zur Eröffnung des Nathanstifts, die in seiner Abwesenheit Oberbürgermeister Kutzer vortrug, schrieb: „Im Heim…sei kein Raum für Vorurteile irgendwelcher Art.“ Der tief enttäuscht über das Verhalten der Stadt Fürth ihm gegenüber und den zunehmenden Antisemitismus allgemein nach 1918 sein – wohl durch die Inflation reduziertes – Restvermögen der israelitischen Waisenanstalt vermachte. Sein Wunsch einer Feuerbestattung, was nicht den Vorgaben jüdischen Glaubens entspricht, wurde nicht erfüllt.

Blick in die Ausstellung mit einer alten Ansichtskarte vom Nathanstift
Foto: Gerd Walther

Blick in die Ausstellung mit einer alten Ansichtskarte vom Nathanstift
Foto: Gerd Walther

Man hätte also die Spendentätigkeit eines konkreten Menschen in einer konkreten Zeit in die konkrete Stadt Fürth stellen können, die damals mit einer Säuglingssterblichkeit im 1.Lebensjahr von fast 30% an der Spitze im Deutschen Reich mit ’nur‘ etwa 20% lag. Und man hätte aus Nathan einen Menschen aus Fleisch und Blut machen können, statt ihn zu reduzieren auf ein ‚immenses Vermögen‘ und ein Spenden-Gen. Die genannten Daten sind alle schon bekannt und veröffentlicht. Man hätte nicht einmal in eigene Forschungen einsteigen müssen, eine der Kernaufgaben von Museumsmacher*innen. Das ist fast vollständig unterblieben.

Die Darstellung bewegt sich meist an einer Oberfläche des schönen Scheins. Zunächst ist die Präsentation in den 2 ½ kleinen Räumen nebst einer Büste Nathans im Zugang mit zwei raumbeherrschenden Vergrößerungen alter Ansichtskarten hübsch anzuschauen. Doch die Ausstellungsstücke, 1 Pokal, 2 Leuchter, 2×3 Anstecknadeln sind eher raumfüllende Platzhalter. Dies gilt auch für viele Originaltexte und Fotos. Jemand, der wie Nathan sich reimende Zeilen schreibt, ist deshalb noch kein Dichter. Aber wo dichterischer Quälität fehlt, blickt doch evtl. Biographisches durch. Das übergeht man, erläutert nicht jüdische Begriffe wie ‚Chochmes‘ und ‚Deies‘, belässt ein Gedicht in schwer lesbarer Sütterlinschrift, verweist bei einem patriotischen Lied 1917 auf Prinz Leopold von Bayern, damals Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber Ost nicht einmal auf dessen zeitgleiche judenfeindliche Äußerungen. Dafür weiß man jetzt, wo bei der Eröffnung des Nathanstifts das Festessen stattfand und dass Nathan, ‚angeblich‘ in jungen Jahren auch mal eine wilde Zeit gehabt haben soll, das aber nur als Gerücht aus zweiter Hand.

Das ist das Pech des Alfred Nathan. Für seine Person interessiert sich auch heute noch keiner. Man hat sein Geld genommen und sich selbstgefällig mit dem damit Erreichten der Öffentlichkeit präsentiert – offenbar bis heute. Diese Ausstellung ehrt Alfred Nathan nicht.