Schloss (und Stadt)

Besuch am Samstag, 1.Juli 2023, ca 3 Std., davon 1 Stunde im Schloss. Die ‚Residenz Ellingen‘ des Landeskomtur (Chefs) der Ballei (Verwaltungseinheit) Franken des Deutschen Ordens gehörte seit der Säkularisation um 1803 dem entstehenden Königreich Bayern. 1815 wurde das Schloss an Feldmarschall Fürst Wrede übergeben, dessen Familie es 1939 dem bayerischen Staat verkaufte. Es wird von der ‚Bayerischen Verwaltung der staatllichen Schlösser, Gärten und Seen‘ – eben verwaltet. Das ist – nicht nur in Ellingen – ein Hauptproblem dieser schönen und interessanten Anlage, zu der ich ebenbürdig das Umfeld mit weiteren Schlossgebäuden, dem Schlosspark sowie dem ganzen alten Ort rechnen möchte.

Blick auf die Vorderfront Foto: Gerd Walther

Diverse Vorgängerbauten des heutigen Schlosses gehörten seit 1216 zum Deutschen Orden, einem im Zusammenhang mit den Kreuzzügen 1199 gegründeten Ritterorden. Später lag sein Machtschwerpunkt im Baltikum, verlagerte sich aber im 16.Jh. nach Süddeutschland und Österreich. Die Ballei Franken mit der Residenz Ellingen wurde zur mächtigsten Ballei des Ordens, ihr Zentrum wurde allerdings 1789 nach Bad Mergentheim verlegt, ehe sich der Deutsche Orden im Verlauf der napoleonischen Kriege und seiner politisch-gesellschaftlichen Veränderungen faktisch zeitweise auflöste.

Der mächtige Hauptbau des Schlosses entstand in erstaunlich kurzer Zeit von 1718 – 1720/1722 durch den Architekten Franz Keller, die Innenausstattung, insbesondere die Stukkaturen, sind das Werk von Franz-Joseph Roth. Die kurze Bauzeit gibt der Residenz eine kompakte barocke Erscheinung. Die ursprünglich gotische Kirche – ohne Taufbecken, die Ordensbrüder durften ja nicht – wurde ebenfalls barockisiert. Ab 1775 wurden Umbauten insbesondere der Innenräume im klassizistischen Stil ergänzt. So haben wir eine 3-Flügel-Anlage vor uns, die durch den Kirchenbau geschlossen wird. Man betritt das Schloss über das imposante Treppenhaus, die beiden oberen Geschosse (und die Kirche) sind im Rahmen einer Führung zugänglich. Innen beeindrucken schöne Gobelins sowie die klassizistischen Papier- und Stofftapeten. Hinzu kommen schöne Öfen, Uhren, etwas Mobiliar (aus anderen Schlössern), der weitgehend erhaltene Fußboden und Gemälde in eher unbewohnt kühl wirkenden Räumlichkeiten.

Das würde man gerne in Ruhe genauer ansehen. An der freundlichen und sachkundigen Führerin lag es nicht, wir haben uns – ich war der einzige Besucher – gut und interessant unterhalten. Aber in den vorgegebenen 55 Minuten ist nur ein touristischer Überblick möglich, kein kultureller Einblick, der ein längeres Verweilen erfordern würde. Das ist nicht möglich – und scheinbar auch nicht erwünscht. Das Schloss hätte mehr verdient, aber man bleibt auch in Ellingen bei einem – freundlich gesagt – historischen Konzept der Präsentation.

Die Heiligenbrücke über die Schwäbische Rezat, 1762 durch Matthias Binder erbaut, hinten das Schloss Foto: Gerd Walther

Zum eigentlichen Schloss gehören noch der hübsche Schlosspark sowie die umfangreichen Wirtschaftgebäude. Sie werden zwar großteils privat genutzt, sind aber doch von außen begehbar und vermitteln einen Eindruck von der wirtschaftlichen Bedeutung des Schlosses, das nicht zuletzt als eine Art Versorgungseinrichtung für den niederen Adel diente. Nicht zu vergessen ist auch die gleich vor dem Schloss befindliche (aktive) Schlossbrauerei.

Nicht versäumen sollte man einen Gang durch den Barockort Ellingen mit städtebaulich durchdachter Planung auf mittelalterlichen Strukturen. Einheitliche Straßenzüge mit Gebäuden für Handwerker, Beamte und (auch jüdische) Einwohner, mit einem Amtsgericht, Rentamt, einer Gruftkapelle und der Stadtkirche (mit Taufbecken), einer ‚Normalschule‘, Verwaltungsgebäuden und dem imposanten Rathaus. Sie wurden nach Plänen von Roth, Keller und Binder errichtet. Hinzu kommen eindrucksvolle Brücken, etwa die Heiligenbrücke über die Schwäbische Rezat. Die Industrialisierung ging an Ellingen weitgehend vorbei, im Krieg wie auch in der ‚Wirtschaftswunderzeit‘ wurde wenig zerstört. So haben wir ein interessantes Ensemble eines zwischen 1500 und 1800 wichtigen fränkischen Zentrums vor uns. Ein Besuch ist also sehr zu empfehlen, fast möchte man sagen, der ‚Verwaltung‘ zum Trotz.