Wien Museum

Besuche am 4. und 6. August 2016, insgesamt 4 Std. Ein Museum der Stadt Wien gibt es seit etwa 1888 zunächst im 1883 fertiggestellten Rathaus. Seit 1959 befindet es sich in einem hierfür errichteten Gebäude am Karlsplatz. Daneben gibt es noch 19 Dependancen, darunter 8 Musikerwohnungen. Träger des Wien Museums ist letztendlich die Stadt Wien.

Detail aus einem Kirchenfenster des Stephansdoms, um 1390 Foto: Gerd Walther

Detail aus einem Kirchenfenster des Stephansdoms, um 1390
Foto: Gerd Walther

Wer vom Wien Museum eine moderne Ausstellungsgestaltung erwartet, Installationen, Raumensembles, wird enttäuscht sein. Abgesehen von 3 Raumensembles – einem Pompejanischen Salon von etwa 1800, der Wohnung Franz Grillparzers wohl aus seinem Sterbejahr 1872 und das Wohnzimmer des Architekten Adolf Loos von etwa 1933 – geht die Ausstellung über Podeste, Vitrinen und die gefällige Hängung von Bildern nicht hinaus.

Das Museum gibt einen Überblick über die Stadtentwicklung von der Babenberger Pfalz 1155 bis etwa 1930. Dabei ragen aus dem Mittelalter viele Exponate des Stephansdoms heraus. Selten hat man die Gelegenheit, (hinterleuchtete) Glasfenster von so hoher Qualität aus unmittelbarer Nähe zu betrachten. Oder verschiedene Skulpturen aus dem Dom. Hinzu kommen Gegenstände aus dem Alltagsleben, zwar meist gut erläutert, aber ordentlich aufgereiht bis hin zum ‚Armsünderstuhl‘ des 18. Jhs für Hinzurichtende neben dem Rad, Richtschwertern und der Henkerskleidung – alles schön auf Podestchen .

Hervorzuheben sind die vielen Stadtansichten. Natürlich werden die Belagerungen durch die Osmanen 1529 und 1683 entsprechend dargestellt. Man hat gewonnen, da lässt man gerne malen. Oder Stadtmodelle, die Wien vor und nach seinem städtebaulichen Wandel mit dem Abriss der alten Festungsanlagen nach 1857 und der Anlage des Rings mit Oper, Parlament, Burgtheater, Museen, Rathaus, Heldenplatz etc. zeigen.

Es ist bei einer Haupt- und Residenzstadt nicht immer leicht und auch nicht sinnvoll, Stadt-, Landes- und Herrschergeschichte zu trennen. Ab dem späten 18. Jh gesellen sich zu den Portraits zunehmend Genrebilder und kunstgewerbliche Exponate. Natürlich kann man die Biedermeierzeit in Gemälden bekannter Künstler darstellen. Aber man sollte doch auf den ideologischen Hintergrund gerade auch in der Stadt Metternichs, der Hauptstadt der Restauration nach der französischen Revolution, deutlich verweisen. Schön sind die Stadtpläne auch zu den Vororten als Hinweis auf das Anwachsen der Stadt. Die Revolution von 1848 allerdings sperrt man in einen Glaskasten, durchsichtig zwar trotz der ‚Wand‘ aus hängenden Schwertern, aber doch deutlich isoliert, als sei sie ein Fremdkörper und nicht die Konsequenz der vorherigen Unterdrückung bürgerlicher Freiheitsrechte.

Ehrenstuhl für den Antisemiten und Wiener Bürgermeister Lueger Foto: Gerd Walther

Zum Antisemiten und Wiener Bürgermeister Karl Lueger interessiert im Museum nur der kunstgewerblich interessante Ehrenstuhl
Foto: Gerd Walther

Wie viele Museen hat auch das Wien Museum zunehmende Probleme, je näher man an die Gegenwart kommt. Hier endet die allgemeingeschichtliche Ausstellung de facto um 1900, was ja nun auch schon einige Jährchen her ist. Ausgerechnet ein Prunkstuhl für den damaligen Bürgermeister Karl Lueger bildet den Abschluss, der Führungsgestalt des beginnenden Antisemitismus, wie irgendwo knapp erwähnt wird. Ausdrücklich gewürdigt dafür von einem anderen damals in Wien lebenden Österreicher, der darauf aufbaut und – gewollt oder nicht – Gedachtes und Gesagtes zu Ende geführt hat. Was nicht erwähnt ist.

Es geht schon noch ein bisschen weiter im Museum, genau bis in die 1930er Jahre, aber mit Architektur, Kunst, Kunstgewerbe, Wiener Werkstätten, als ob es keinen Weltkrieg, keine Republik, ihre in Wien durchaus blutige Beseitigung im Austrofaschismus bis hin zum ‚Anschluss‘ ans ‚Großdeutsche Reich‘ mitsamt abermaligem Weltkrieg gegeben hat. Den erwähnten oder mit Werken ausgestellten Personen, Oskar Kokoschka, Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Josef Frank, Oskar Wlach, ‚entartete‘ Künstler und/oder Juden, würde mehr Gerechtigkeit im Museum widerfahren, wenn man ihr (Lebens-)Werk in einen allgemein- und nicht nur kunstgeschichtlichen Kontext gestellt hätte. Man kann mit Exponaten den Blick auf Geschichte auch verstellen.