Jüdisches Museum Fürth – ‚Cherchez la Femme‘ 2018

Besuch am Sonntag, 17.6.2018, ca 1 Std. Die Ausstellung, die noch bis zum 14.10.2018 gezeigt wird, wurde vom Jüdischen Museum Berlin gestaltet und in Fürth durch Großfotos ergänzt. ‚Cherchez la Femme‘ ist eine Redewendung aus dem Frankreich des 19.Jhs im Zusammenspiel von Mann und Frau bei festgelegten Rollen, die auch beinhalteten, dass Frau begrenzt ihre Rolle überschreiten darf, für eine Überraschung gut sein soll. Diese spielerische Ambivalenz zeigt die insgesamt sachlich gehaltene Ausstellung neu-alter Frauenbekleidung in religiös strukturierten Gemeinschaften. 

Installationen ‚Gaze‘ (Blicke), von Büroberlin/schnellebuntebilder, Berlin, 2017
und Chelgis I von Mandana Moghaddam, 2002
Foto: Gerd Walther

Nehmen wir die 6 Monitore der Installation ‚Gaze‘ (Blicke) mit betrachtenden Augenpaaren. Frauen betrachtend? Nun sind Frauen ja nicht prinzipiell abgeneigt, sich hübsch zu machen, auch um beachtet zu werden. Es geht wohl primär ums wann, wo, wie, wer. Aber Frauen machen sich doch auch wegen ihres Selbstgefühls schön, für sonst niemand. Ein Spiegel genügt. Mandana Moghaddams subtile Figur Chelgis I, einer mit Haaren zugewachsenen Frau schien mir eher ein Wolfsmensch. Vollbehaarte, die man einst auf Volksfesten zu belustigendem Gruseln vorführte. Wäre die Entfernung der Haare ein Akt der Befreiung? Dass hier das Persische Märchen von der „Frau mit den 40 Zöpfen“ zugrunde liegt, erfuhr ich erst im Internet. Da viele Künstlerinnen aus einem eher fremden muslimischen bzw. jüdisch-orthodoxen Kulturkreis stammen, wünscht man sich öfters Hintergrundinformationen.

Die Schamhaftigkeit der Frau bzw. deren Fehlen – und offenbar davon abhängig Wohl und Wehe der Menschheit – stehen meist im Mittelpunkt der Verhüllungsgebote. Der älteste Text aus dem Mittelassyrischen Reich relativiert diese Sichtweise: Die Herrin verhüllt sich, auch die Konkubine. Ledige, Dirnen, Sklavinnen verhüllen sich nicht. Haartracht und Kopfbedeckung, Kleidung allgemein zählen doch zu den ältesten Zeichen von Macht bei Frauen wie bei Männern. Das lange Haar war im Mittelalter Privileg der Herrscher, der Geßlerhut repräsentierte die Macht, Kleidervorschriften, wohin man schaute. Leider wird das nicht vertieft, böte sich doch hiermit ein weiterer Zugang zum Thema, bei dem wir heute eher einen Rück- als einen Fortschritt erleben.

Die diagonalen Reihungen von Kopf- bzw. Körperbedeckungen in beiden Räumen im Erd- und Untergeschoss dominieren optisch die Ausstellung, deren Untertitel ‚Perücke, Burka, Ordenstracht‘ lautet. Ordenstracht? Proporz? Da hätte man Ausschnitte aus diesen schlechten Fernsehfilmen zeigen können, in denen Ordensfrauen heute noch vorkommen. Frauen müssen heute nicht mehr ins Kloster, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, können sich ohne Mann ein weitgehend selbstbestimmtes Leben leisten, hart zwar mitunter, aber immerhin. Dazu Evangelikale, Amische in den USA, Frauen in russisch-orthodoxen Kirchen und beim Papstbesuch. So richtig typisch ist das nicht. Die Ausnahme und die Regel bleiben ein Grundproblem der Ausstellung. Auch die jüdischen Beispiele zeigen bevorzugt ein orthodoxes Umfeld, mag es auch breiter sein als bei den Ordensfrauen. „Ein selbstbestimmtes Tragen des Kopftuchs sollte nicht generell als Symbol für Zwang gesehen werden. Andererseits verstehen sich auch viele Musliminnen, die kein Kopftuch tragen, als gläubig“, heißt es. Das mag schon sein. Aber muss man/frau denn Bekleidung immer nur aus einem religiösen Blickwinkel sehen? Vielleicht schaut sie einfach nur schön aus, oder es ist windig, heiß, kalt, schmutzig. Ich bekam mehrfach den Eindruck, dass hier modisch-orthodoxe Körperbedeckungen popularisiert werden sollen. Geht doch, schaut doch hübsch aus, kann frau doch tragen.

von links:  3 Fotos von Badenden,
2 musliminsche Modebloggerinnen (Tablets, Bank),
Video einer Modeschau in Istanbul,
3 Badeanzüge für Jüdinnen, Nonnen, Musliminnen
Foto: Gerd Walther

Aber hilft das wirklich weiter zur Selbstbestimmung von Menschen, wenn Rahmen existieren, die asymmetrisch sind. Leider habe ich, in einer demokratischen Gesellschaft weitgehend selbstbestimmt lebend, noch keinen Gott getroffen, der Demokrat war. Ein Goldener Käfig ist immer noch ein Käfig, mögen ihn auch Frauen mit bunten Bändchen je nach Herkommen, Umfeld, Gewohnheit, Mut schmücken. Der Ansatz ist mir zu kurz gegriffen, selbst wenn sich Frauen ihr Leben im jeweiligen Umfeld dadurch verschönernd erleichtern, sich eine positive Identität geben können. Denn eine Kleidervorschrift ist doch nur Teil eines umfangreichen Kanons von Verhaltensfestlegungen und Gewalt endet nicht vor der Haustüre. Sollte eine Ausstellung wie „Cherchez la Femme“ nicht auch anderer Wege zu einem selbstbestimmten Leben auf Augenhöhe mit anderen aufzeigen?

Die Sonderausstellung ist im neuen Ausstellungs- und Bürogebäude des Jüdischen Museums untergebracht, das sich gut in die Umgebung einpasst und zweifellos eine Bereicherung darstellt. Nur vermitteln Neubauten innen bei viel Weiß und Betongrau (selbst wo kein Beton ist) eine eher nüchterne, kalte, intellektuelle Atmosphäre. Hier verstärken sie die Grundstruktur der Sonderausstellung. Mir wird das zu kopflastig. Mir fehlt das Umfeld zum warmen Blick, zum Bauchgefühl, wie sich Frauen durch Kleidung egal für wen hübsch zu machen oder vor wem zu schützen versuchen. Wenn am Ende einer Ausstellung mehr Fragen offen sind als am Anfang, muss das per se nicht schlecht sein.